Handys funken ins Bankgeschäft

Mobilcom erwägt Gründung einer eigenen Bank. Prognose: Tausende Bankfilialen werden unrentabel

HAMBURG rtr/ap/taz ■ Die Hälfte der rund 46.000 Bankfilialen wird nach einer Studie der Unternehmensberatung Mummert und Partner bis 2010 geschlossen werden, weil das Filialnetz nicht mehr rentabel ist. Für die meisten Kunden wird das allerdings kaum Nachteile haben, denn das Geschäft werden neben privaten Finanzberatern und -vermittlern auch die Telefonkonzerne übernehmen. Die wollen in Zukunft mehr Finanzdienstleistungen anbieten. Mobilcom erwägt sogar die Gründung einer eigenen Bank. Auch der Bundesverband deutscher Banken will zukünftig die Vorteile der Informationsgesellschaft nutzen und forderte gestern in Berlin in seinem „Bankenbericht 2000“, dass die EU-Richtlinie zur digitalen Signatur bald in deutsches Recht umgesetzt wird. Ab 2001, so die Pläne der privaten Banken, könnten dann die Kunden alle Geschäfts- und Kommunikationsvorgänge mit einer eigens dazu von ihnen ausgegebenen Signaturkarte im Internet abwickeln.

Neben Mobilcom wollen auch die Telefonkonzerne Mannesmann und Debitel verstärkt Finanzdienstleistungen über das Handy anbieten. Den Kunden soll bei Mobilcom vor allem das Bezahlen und der Wertpapierhandel über das Handy möglich gemacht werden. Die Firma prüft derzeit drei Optionen, um in den „mobilen Handel“ (M-Commerce) einzusteigen. Neben der Gründung einer eigenen Bank, über die Mobilcom bereits das Bundesaufsichtsamt informiert hat, kommen für den Konzern auch Kooperationen mit Banken oder Joint Ventures in Frage. Welche der Optionen Realität werden, ist noch nicht entschieden.

Bei Mannesmann will man im nächsten Jahr zunächst ein Pilotprojekt zur Abwicklung von Überweisungen per Handy starten, später soll dann auch der Wertpapierhandel dazu kommen. Den Privatkunden solle dabei ein Girokonto angeboten werden, dessen Nummer mit ihrer Mobilfunknummer übereinstimme, sagte das Mannesmann-Vorstandsmitglied Peter Gerard. Der netzunabhängige Mobilfunkanbieter Debitel prüft ebenfalls ein Engagement im Bankensektor.

Viag Interkom schließt die Gründung einer eigenen Bank aus. Es gebe genügend Finanzdienstleister mit langen Erfahrungen, begründete dies ein Sprecher des Unternehmens gestern in München. Kooperationen mit Banken strebt aber auch dieser Mobilfunkanbieter an, eine Partnerschaft existiert bereits mit der Frankfurter Sparkasse bei Aktiengeschäften und Kontoführung.

Grundlage für den Run der Mobilfunker auf das Bankgeschäft ist das Universal Mobile Telecommunication System (UMTS). Es ermöglicht dem Mobilfunk höhere Übertragungsraten, sodass Internetseiten mit E-Commerce-Angeboten voll aufs Handy übertragen werden könne. Das UMTS-Netz soll 2003 starten. Um die begehrten UMTS-Lizenzen bewerben sich neben Mobilcom, Mannesmann, Debitel und T-Mobil auch E-Plus und Viag Interkom sowie zwei Investoren-Konsortien aus dem Ausland. MRA