Krabbeln nur auf dem Teppich

Noch immer enthalten viele Kunststoffe giftige Weichmacher, beschweren sich WWF und Verbraucherschützer. Neuer bundesweiter Verbraucherverband entsteht

BERLIN taz ■ Kunststoffe enthalten unnötig häufig giftige Zusätze wie bromierte Flammschutzmittel, Phtalate (PVC-Weichmacher) und Organozinnverbindungen. Säuglinge und Kleinkinder seien besonders durch die hormonell wirksamen, gesundheits- und umweltschädlichen Stoffe gefährdet. Das ist das Ergebnis einer Studie, die WWF und Verbraucher-Zentrale NRW gestern vorgestellt haben.

Obwohl es in den meisten Fällen Alternativen gäbe, würden viele dieser Gifte noch als Brandschutzmittel in Computern, als Antipilzmittel in Outdoor-Kleidung oder als Weichmacher in PVC-Rohren und -Fußbodenbelägen verwendet, beschwert sich Patricia Cameron, Chemieexpertin des WWF. Dr. Joachim Dull von der Verbraucherzentrale kritisiert, dass trotz des seit März bestehenden Verbots von Weichmachern in Spielzeug für Kleinkinder die giftigen Lagerbestände noch verkauft würden.

Da sich Menschen meist in Innenräumen aufhielten, seien die Schadstoffkonzentrationen hier besonders bedenklich – aber auch einfach zu senken: Die Leute sollten einfach öfter mal ordentlich lüften.

Kinder sollten nicht auf blanken Fußbodenbelägen spielen, sondern auf dem Teppich. Die Gefahr der Aufnahme von Tributylzinn (TBT) oder Weichmachern (die 30 bis 50 Prozent des Gewichts von Bodenbelägen ausmachen) sei damit deutlich zu reduzieren. Auch sollten Verbraucher beim Einkauf nachfragen, ob die Produkte Schadstoffe enthalten, und sich an Warentests und dem „Blauen Engel“ orientieren.

Derweil hat die Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände bekannt gegeben, dass sie sich mit dem Verbraucherschutzverein und der Stiftung Verbraucherinstitut zu einem neuen Bundesverband zusammenschließt. Insbesondere im Service-Bereich (Ratgeber, Faxabruf, Internet) rechnet man mit erheblichen Synergieeffekten und Kosteneinsparungen.

Als „Meilenstein“ sieht die AgV neben der Aufnahme des Begriffes „Verbraucher“ in das BGB ein Gesetzespaket an, zu dem unter anderem das Fernabsatzgesetz gehört: Seit Anfang Juli können Konsumenten innerhalb von zwei Wochen ohne Angabe von Gründen von per Telefon oder Internet geschlossenen Verträgen zurücktreten. Ab Oktober gilt das zum Beispiel auch bei Kaffeefahrten.

Ebenfalls seit ein paar Tagen können sich die Verbände über ein ausgeweitetes Verbandsklagerecht freuen.

Noch offene Forderung an die Politik ist eine dreijährige gesetzliche Garantie auf alle Konsumgüter. Deutschland und Österreich bildeten hier mit sechs Monaten das Schlusslicht in der EU, während Käufer in Großbritannien fünf und in Finnland gar zehn Jahre Gewährleistung verlangen könnten.

MATTHIAS SPITTMANN