Tschernobyl-Sarkophag wird saniert

Den Katastrophenreaktor in der Ukraine kann neu abgeschirmt werden. Rund 90 Prozent der Finanzierung sind beisammen. Ungeklärt bleibt, ob der letzte Reaktor durch ein Atom- oder durch Gas- und Kohlekraftwerke ersetzt wird

von MAIKE RADEMAKER

Die Sanierung des brüchigen Betonmantels um den Katastrophenreaktor Tschernobyl ist finanziell gesichert. Auf der Geberkonferenz, die heute in Berlin zu Ende geht, haben mehrere Staaten noch einmal ihre Finanzzusagen erhöht. Von den notwendigen 768 Millionen US-Dollar sind nun 715 Millionen Dollar zugesagt.

Auch Deutschland hat auf seine Zusage draufgesattelt und wird sich nun mit rund 50 Millionen Dollar beteiligen. Bundesaußenminister Joschka Fischer (Grüne) bezeichnete das Ergebnis als „Erfolg, der unsere Erwartungen übertroffen hat“. An der Konferenz nahmen Delegationen aus 37 Ländern teil.

Eine Sicherung des 1986 hastig hochgezogenen Sarkophags aus 250.000 Tonnen Beton ist dringend notwendig (siehe Kasten). Mit den nun zugesagten Geldern von Regierungen und Banken kann mit einem Neubau begonnen werden, der das weiterhin hochradioaktive Material im Innern sicher gegen die Umwelt abschließen soll.

Die G7-Staaten hatten schon 1995 in einer Vereinbarung mit der Ukraine zugesagt, sich an einer umweltverträglichen und sicheren Lösung zu beteiligen. 1997 wurde dann, ebenfalls auf Initiative der G7, ein Fonds zur Finanzierung des neuen Sarkophags eingerichtet.

Die großzügige Zusage der Regierungen für die Finanzierung hat verschiedene Gründe. So, wie die strahlende Ruine unter der Hülle schmort, ist sie eine grenzüberschreitende Gefahr, da jederzeit Radioaktivität austreten kann. Darüber hinaus, so das Handelsblatt gestern, sei „das Ausmaß der Auftragsvergabe teilweise abhängig vom politischen wie finanziellen Einsatz der Geberländer“ – auch deutsche Firmen profitieren von den Aufträgen.

Weiterhin offen bleibt allerdings, welche Ersatzkapazitäten die Ukraine für die Zeit nach der Schließung des letzten noch laufenden Reaktors von Tschernobyl aufbauen will. Wie Ministerpräsident Wiktor Juschtschenko gestern noch einmal betonte, soll er im Dezember endgültig abgeschaltet werden. Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) erklärte erneut, dass die Bundesregierung lediglich nichtnukleare Lösungen befürworten werde. Juschtschenko sah das anders: Die Fertigstellung der umstrittenen Reaktoren Chmelnitzky 2 und Rivne 4 (K2/R4) seit weiterhin geplant, sagte er. Auch Charles Frank, derzeitiger Präsident der Osteuropabank, hat eine Finanzierung von Ersatzreaktoren durch seine Bank nicht ad acta gelegt. „Wir werden das Projekt weiterhin prüfen, es gibt die Möglichkeit, dass damit K2/R4 finanziert wird“, sagte er gegenüber der taz. Man sei außerdem in Verhandlungen mit Siemens über eine Reduzierung der Kosten. Die Firma will sich mit Hilfe von Hermes-Bürgschaften am Bau von K2/R4 beteiligen. Siemens-Sprecher Wolfgang Breyer bestätigte die Verhandlungen.

Für die Ukraine sind mit der Schließung des letzten Reaktors und dem neuen Sarkophag die Probleme keineswegs gelöst. Immer noch gibt das hoch verschuldete Land laut Trittin für die Folgen des weltweit schwersten Reaktorunglücks 20 Prozent seines Haushaltes aus. Von der Katastrophe selbst waren laut UN sieben Millionen Menschen betroffen, bei vielen werden sich die Spätfolgen erst noch zeigen. In Weißrussland, Russland und der Ukraine sind weiterhin ganze Landstriche verstrahlt, in vielen Lebensmitteln finden sich hohe radioaktive Werte. Eine ganze Reihe von Hilfsprojekten für die Tschernobyl-Opfer hat inzwischen allerdings aus Geldmangel aufgeben müssen.