Die lange Reise des Mr. Franz

Der Kaiser wird dünnhäutig: Am Ende des großen Bewerbunsgmarathons droht dem erfolgsverwöhnten Chef des deutschen Bewerbungskomitees, Franz Beckenbauer, heute eine ordentliche Niederlage

BERLIN taz ■ Am Ende verlor Franz Beckenbauer doch noch die Contenance. Als fröhlicher WM-Botschafter war der DFB-Vizepräsident viele Monate um die Welt gereist, von Samoa bis Asunción, von Kuala Lumpur bis Accra, von Honolulu bis Nassau. Freundlich, unaufdringlich und charmant hatte er das deutsche Anliegen, die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 austragen zu wollen, dem Stimmvieh aus der 24-köpfigen Fifa-Exekutive nahe gebracht. Zuletzt spottete er noch milde-entspannt über die Engländer, die sich darüber aufregten, dass die Qualität ihrer Bewerbung bei den Fifa-Gutachtern nur für Platz drei gereicht hatte.

Als dann aber die Brasilianer ihre aussichtslose Kandidatur zurückzogen und ihre Unterstützung Südafrika zusagten, war sie plötzlich wieder da, die gefürchtete kaiserliche Zornesfalte. Immer spitzer wurde der Mund, und jeder wusste: Jetzt ein falsches Wort und der Mann geht hoch. Von einem „merkwürdigen Vorgang“ sprach Beckenbauer, und es fiel der Begriff „Mauschelei“. Welche Worte er lieber gebraucht hätte, das verriet der Zeus’sche Donnerblick. Die Reisen des Mr. Franz haben am Sitz des Weltverbandes Fifa in Zürich ihr Ende gefunden, und vieles spricht dafür, dass er besser zu Hause in Kitzbühel geblieben wäre, um Golf zu spielen.

Oft und gern verweisen Beckenbauer und seine Helferlein in diesen Tagen auf die exzellente Qualität der in großer Fleißarbeit unter Hinzunahme einer Portion Wunschdenken erstellten 1.200-seitigen deutschen Bewerbung. Dabei unterschlagen sie gern, dass die südafrikanische Kandidatur von der Fifa ebenfalls das Prädikat „sehr gut“ verliehen bekam. Dass aber eine WM nicht an den vergeben wird, der die besten Stadiontoiletten baut, sondern, wie Beckenbauer nun lamentiert, „nach sportpolitischen Gesichtspunkten“, weiß der DFB nur zu gut. Schließlich hatte dessen Präsident Egidius Braun jahrelang versucht, den europäischen Verband Uefa auf die deutsche Kandidatur einzuschwören, und mit aller Hausmacht gegen die später eingestiegenen Engländer gehetzt. Hätte nicht Fifa-Boss Joseph Blatter ein Machtwort gesprochen und erklärt, jedes Land habe das Recht, sich zu bewerben, die deutschen Funktionäre hätten es dank ihres großen Einflusses in der Uefa wohl geschafft, den britischen Konkurrenten frühzeitig davonzuekeln.

So gefestigt die Stellung in der Uefa ist, wie zuletzt die Wahl des DFB-Vizes Mayer-Vorfelder in die Exekutive mit riesiger Mehrheit zeigte, so wacklig ist sie in der Fifa, wie Mayer-Vorfelders Abwahl aus deren Exekutive vor zwei Jahren belegt. Wenige Delegierte der anderen Kontinente sehen ein, warum Europa zum zehnten Mal eine WM ausrichten sollte und nicht Afrika zum ersten Mal. Doch auch in der Uefa widerfuhren den Deutschen Missgeschicke. Zunächst der unerwartete Einstieg Englands, dann Brauns Rolle bei der Vergabe der EM 2004 an Portugal, wo doch ein Vertreter des frustrierten Mitbewerbers Spanien in der Fifa-Exekutive sitzt und kein Portugiese. Zuletzt das Scheitern des Italieners Antonio Matarrese und des Maltesers Joseph Mifsud bei der Wahl zur Uefa-Exekutive. Dummerweise gehören die beiden Verprellten heute in Zürich zu den Stimmberechtigten.

Bleibt die Hoffnung auf den Bundeskanzler, der sich heute persönlich nach Zürich begibt. Doch ganz abgesehen von der Frage, welche Figur Gerhard Schröder wohl gegen einen Nelson Mandela macht, hat die Politik dem deutschen Sport in der Vergangenheit selten Glück gebracht. Nicht wenige waren überzeugt, dass 1986, als sich Berchtesgaden für die Olympischen Winterspiele 1992 bewarb, vor allem ein Faktor dafür sorgte, dass die Stadt nur lausige sechs Stimmen bekam: der Auftritt von Franz Josef Strauß bei der Abstimmung in Lausanne. MATTI LIESKE