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Kollektive Internet-Projekte

Wissenschaftliche Computerauswertungen, an denen Hunderttausende teilnehmen, werden immer beliebter

Ein Mathematik-Spezialist ist Nayan Hajratwala nicht. Dennoch hat der 27-jährige Angestellte einer Consulting-Firma in Plymouth im US-Bundesstaat Michigan mit Mathe 50.000 Dollar verdient und wird wohl auch mit einer Fußnote in die Geschichte der Zahlentheorie eingehen. Er – oder genauer: sein IBM-Pentiumrechner – hat eine besondere Zahl mit 2.098.960 Stellen entdeckt. Das Rechenprogramm fand sie am 1. Juni letzten Jahres.

Hajratwala hatte an dem kollektiven Computerexperiment „Great Internet Mersenne Prime Search“ (GIMPS) teilgenommen. Dabei geht es darum, die seltenen, so genannten Mersenne-Zahlen zu finden, von denen bislang nur 38 bekannt sind: Primzahlen, die mit der Formel 2[n]-1 dargestellt werden können, wobei n selbst eine Primzahl ist.

Ausgeschrieben war das Preisgeld von 50.000 Dollar für die erste Mersenne-Zahl mit mehr als einer Million Stellen. Das Resultat, mit dem Hajratwala 50.000 Dollar gewann: n = 6972593. Beim GIMPS-Projekt (www.mersenne.org) hatte er das Rechenprogramm heruntergeladen.

Kollektive Internet-Computerprojekte wie GIMPS oder SETIathome erfreuen sich neuerdings zunehmender Beliebtheit. Ihre Initiatoren sind auf zehn- oder hunderttausende Teilnehmer angewiesen, weil selbst dutzende Supercomputer die benötigten Berechnungen nicht in absehbarer Zeit durchführen könnten. Die Teilnehmer können – auch wenn sie Laien sind – an wissenschaftlichen Experimenten teilnehmen und manchmal auch ein Preisgeld gewinnen. Meistens wird ihnen nicht viel mehr abverlangt, als ein bestimmtes Programm anstelle eines gewöhnlichen Bildschirmschoners laufen zu lassen.

Die nach SETIathome bekannteste Betreiberin solcher Experimente ist die gemeinnützige Organisation „Distributed Computing Technologies“ (www.distributed.net), bei der mehr als 200.000 Mitglieder regelmäßig Verschlüsselungen der Software- Industrie knacken und damit Preisgelder gewinnen. Seit Oktober 1997 sitzen die Distributed-Fans an der Entschlüsselung eines 64-bit-Kodes. Unter cecm.sfu.ca/projects/pihex können Interessierte bei der Berechnung der Zahl Pi (3,141592 ...) bis auf eine Quadrillion Stellen mitmachen. Mehr praktische Anwendungsmöglichkeiten gibt es beim Gamma-Flux-Projekt (www.dcypher.net), mit dem die Gammastrahlen-Verteilung in der Umgebung von Behältern mit radioaktivem Müll durchgespielt wird. Beim Klima-Vorhersage-Projekt „Casino-21“ (www.climate-dynamics.rl.ac.uk)sollen hunderttausende Teilnehmer die Entwicklung des Weltklimas bis zum Jahr 2050 durchspielen. Der noch in der Planung befindliche Bildschirmschoner soll für die Berechnung eines Klimamodells mehr als ein Jahr benötigen. KENO VERSECK

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