Unruhen nach dem Kampfruf von Drumcree

Die radikalen protestantischen Oranier von Portadown haben zu Demonstrationen in ganz Nordirland mobilisiert – mit einigem Erfolg

DUBLIN taz ■ „Bei dieser Schlacht geht es nicht um Drumcree“, sagte Harold Gracey, der Großmeister des protestantischen Oranier-Ordens der nordirischen Stadt Portadown. „Es geht um den Oranier-Orden, es geht um alle Protestanten.“ Am Sonntag wollen sie wieder marschieren, doch ihre Parade ist nun schon im dritten Jahr verboten worden, weil sie von der Himmelfahrtskirche in Drumcree am Stadtrand durch das katholische Viertel an der Garvaghy Road führen soll. Vorgestern errichtete die britische Armee Stahlbarrieren und zog Wassergräben am Fuß der Garvaghy Road. General Michael Jackson, der im vergangenen Jahr die Nato-Truppen im Kosovo befehligte, überwachte die Sicherheitsvorkehrungen.

Für die Oranier von Portadown ist es eine Machtfrage geworden. „Falls die Leute nicht endlich ihren Hintern hoch bekommen, verlieren wir das Land“, sagte Gracey. „Unser Protest muss auf die ganze Provinz ausgeweitet werden.“ Der Kampfruf verhallte nicht ungehört. Seit Sonntag, als ein „Probemarsch“ durch die Garvaghy Road verboten wurde, finden jede Nacht Straßenschlachten zwischen protestantischen Jugendlichen und der Polizei statt. In Belfast und anderen Städten errichteten die Protestanten Barrikaden aus brennenden Autos, Katholiken wurden in ihren Häusern attackiert und zur Flucht gezwungen. Am Dienstag feuerten Loyalisten, protestantische Hardliner, Schüsse auf eine Polizeistreife ab. Zum ersten Mal seit die britische Armee im vergangenen Jahr ihre Truppenpräsenz in Nordirland reduzierte, patrouillieren wieder Soldaten in Belfast. In der Nacht zu gestern gab es mehr gewalttätige Ausschreitungen als im gesamten Jahr 1999, sagte ein Armeesprecher.

Die Führung Oranier sieht sich außer Stande, eine friedliche Lösung gegen den Willen der extremen Oranierloge von Portadown durchzusetzen: „Wir können sie nicht zwingen, etwas zu tun, was sie nicht tun wollen“, sagte ein Sprecher. Und sie wollen nun mal nicht mit dem Bürgerkomitee der Garvaghy Road reden, weil dessen Vorsitzender vor 20 Jahren wegen IRA-Mitgliedschaft verurteilt wurde.

Bei verurteilten Terroristen auf protestantischer Seite haben die Oranier dagegen keine Berührungsängste. Gestern empfing die Loge von Portadown wieder Johnny Adair, einen loyalistischen Killer, der bereits am Montag in Drumcree aufgetaucht war. Er hatte 50 Gesinnungsgenossen in martialischen T-Shirts mitgebracht, die Salutschüsse abfeuerten. Die Hardliner sehen in Drumcree eine Chance, das verhasste Friedensabkommen, das der IRA-Partei Sinn Féin zur Regierungsbeteiligung verholfen hat, doch noch zu Fall zu bringen. Der Polizeichef Ronnie Flanagan sagte, es gebe Hinweise, dass die Loyalisten Bombenattacken und Mordanschläge auf Polizisten planen. Eine IRA-Absplitterung hat am Mittwoch alle Katholiken dazu aufgerufen, den Leuten von der Garvaghy Road beizustehen. RALF SOTSCHECK