Auf zum freudigen Neuanfang

Die SPD in Brandenburg will nicht länger die Flügel hängen lassen und wählte Matthias Platzeck an die Spitze. Der duckt sich gerne im Schatten von Kanzler Schröder

ORANIENBURG taz ■ Jubel gab es beim Brandenburger SPD-Parteitag am Samstag nur für Kanzler Gerhard Schröder. Matthias Platzecks Wahl zum Landesvorsitzenden wurde artig beklatscht. Ohne Gegenkandidaten bekam er 116 von 145 Stimmen, glatte 80 Prozent. Der Potsdamer Oberbügermeister nahm das mäßige Votum sportlich: „Das Ergebnis ist so, dass mir keine Flügel wachsen und die Bodenhaftung erhalten bleibt.“

Zuvor hatte der Medienstar eine Rede frei von Esprit gehalten, in der Positionen zu aktuellen Streitfragen wie Polizei- und Gemeindereform, Länderfusion oder Flughafendebatte fehlten. Der sonst stets gut gelaunte Platzeck wirkte beim Start in seine neue Ämter-Ära merklich verspannt. Für Parteitagsstimmung sorgte erst der angereiste Kanzler. Schröder, der Platzeck voriges Jahr in den Bundesvorstand holte, zeigte, wie man ein träges Publikum begeistert.

Schröder sprach zur Steuerreform und der angedrohten Blockade der Union und die Abstimmung der Brandenburger SPD/CDU-Koalition im Bundesrat. Eine Ablehnung koste „0,5 Prozent Wachstum und 150.000 Arbeitsplätze“, rechnete der Kanzler vor. Wie eine Drohung an Manfred Stolpe klang der Satz: „Im Bundesrat heben nicht Koalitionen, sondern Ministerpräsidenten die Hand.“

Brandenburgs Regierungschef, der kein Schröder-Fan ist, gab sich in der Rauchpause trotzig. Er lasse sich „nicht unter Druck setzen“. Er werde für die „runde Sache“ Steuerreform bei seinen Partnern von der CDU „natürlich noch werben“, ein Bruch der Potsdamer Koalition sei nicht sein „Wunsch“ .

Das Schröder-Stolpe-Pingpong dominierte den Parteitag. Dabei sollte die Platzeck-Wahl zum fröhlichen Neuanfang werden. Die Brandenburger SPD, mit 7.500 Mitgliedern der größte Ost-Landesverband, steckt seit dem Verlust der Alleinherrschaft im Herbst 1999 in einer tiefen Identitätsrise. Der kleinere Koalitionspartner CDU bestimmt mit dem Thema „Innere Sicherheit“ die Schlagzeilen. Die SPD-Minister hingegen müssen den Bürgern Sozialkürzungen erklären, unter anderem im Kitabereich. Die einstige Identifikationsfigur Regine Hildebrandt fehlt ihnen – die schrille Politikerin zog sich nach dem Bündnis mit der CDU zurück.

Matthias Platzeck soll nun der neue Volksheld werden. Der 46-Jährige hat eine rasante SPD-Karriere hinter sich, er ist erst seit 1995 Parteimitglied. Amtsvorgänger Steffen Reiche, der zunehmend als zu forsch und selbstverliebt galt, geht mit 40 in den parteipolitischen Ruhestand, bleibt aber Bildungsminister. MANUELA THIEME