V-Mann stachelt Neonazis an

Einer der gefährlichsten Neonazis von Brandenburg stand jahrelang auf der Gehaltsliste des Verfassungsschutzes. Er ist Ku-Klux-Klan-Gefolgsmann und derzeit Beisitzer im Landesvorstand der NPD-Brandenburg. Der Innenminister wusste von allem

von ANNETTE ROGALLA

Nun hat auch Brandenburg seinen Verfassungsschutzskandal. Am Wochenende flog auf, dass ein führender Neonazi auf der Gehaltsliste des Amtes steht. Jeden Monat soll „Piato“, so der VS-Deckname, bis zu tausend Mark aus der Kasse des Verfassungsschutzes erhalten haben, berichtet der Spiegel. Im Gegenzug habe „Piato“ ausführlich über die intensiven Kontakte zwischen „freien Kameradschaften“ und schwedischen Neonazis geplaudert und dem Amt Hinweise auf geplante Skinhead-Konzerte und Aktionen von rechten Prügelkommandos geliefert. Jahrelang.

„Piato“ wurde mit ausdrücklichem Einverständnis des damaligen Innenministers Alwin Ziel (SPD) angeheuert. Ziel, heute Sozialminister, rechtfertigt seine Entscheidung: Er habe eine „Güterabwägung getroffen“. Die Parlamentarische Kontrollkommission des Landtags war seit 1997 informiert.

„Piato“ war dabei, wenn Neonazis aus Königs-Wusterhausen zuschlugen. Am 9. Mai 1992 leitete er ein Überfallkommando auf den Tanzschuppen „Ollis Disko“ in Wendisch-Rietz an. Die Kahlköpfe schlugen den nigerianischen Lehrer Steve Erenhi bewusstlos und warfen ihn in den nahe gelegenen Scharmützelsee. In letzter Minute wird der Asylbewerber gerettet. Drei Jahre später wird „Piato“ deswegen zu acht Jahren Haft verurteilt. Die meiste Zeit seiner Strafe verbüßt er allerdings als Freigänger. Bereits in der U-Haft soll sich der heute 29-Jährige als V-Mann nützlich gemacht haben.

Zum ersten Mal taucht „Piatos“ mutmaßlicher Klarname, Carsten S., 1995 auf – während des zweiten Prozesses um den Brandanschlag auf das bezugsfertige Asylbewerberheim von Dolgenbrodt. Die Staatsanwältin untermauert ihre Anklage gegen den Brandstifter Silvio S. mit Aussagen von Carsten S.

Die Zusammenarbeit wird entlohnt: Eine verhängte Strafe von einem Jahr wegen eines Neonazi-Konzerts entfällt.

Bislang hat sich die Brandenburgische Landesregierung nicht dazu geäußert, ob Carsten S. identisch mit „Piato“ ist und wann sie ihn auf die Gehaltsliste setzte. Der Rechtsextremismusexperte Bernd Wagner glaubt, dass es sich bei ihm um einen der dienstältesten V-Männer aus der Naziszene handelt.

Einer der gefährlichsten ist Carsten S. allemal. Sein Lebenslauf: Abbruch der Postlehre wegen rechter Gesinnung. Nach dem Fall der Mauer Umzug von Westberlin nach Königs-Wusterhausen. Er läßt sich von Ku-Klux-Klan-Größe Mahon in Kansas City schulen. Zurück in Brandenburg publiziert er eine Schrift namens Feuerkreuz, vertreibt Zielscheiben, Motiv „Neger“, fünf Stück für 30 Mark. 1991/92 hat ihn der Verfassungsschutz im Visier, ein Ermittlungsverfahren wegen seiner Klan-Aktivitäten wird eingeleitet. Obwohl bei einer Hausdurchsuchung Baumaterialien für Sprengsätze und Anleitungen zum Bombenbau gefunden werden, wird das Verfahren gegen Carsten S. wegen mangelnden Tatverdachts eingestellt. Später vertreibt er aus der Haft heraus United Skins, ein Magazin für Nazi-Rock. Am 17. Juni diesen Jahres organisiert Carsten S. die letzte Demonstration der NPD in Königs-Wusterhausen – als Beisitzer im Landesvorstand der NPD-Brandenburg.