Die Titanic war sein Schicksal

Deutschlands WM-Glücksfee Charles Dempsey kündigt seinen Rücktritt an und klagt weiter über „ungeheuren Druck“, unter dem er vor der Fifa-Abstimmung stand

BERLIN taz ■ Nach Hause getraut hat sich Charles Dempsey schließlich doch. Aber es gab wenig Erfreuliches, was in Auckland auf den Mann wartete, dessen Stimmenthaltung Südafrika die Fußball-WM 2006 gekostet hatte. Der geballte Zorn seiner Landsleute inklusive Premierministerin Helen Clark, die ihn gebeten hatte, für Südafrika zu stimmen, ist ihm gewiss. Gestern musste der 78-Jährige sein Verhalten auf einer Sitzung des Ozeanischen Fußball-Verbandes rechtfertigen, dessen Präsident er noch ist. Der Termin endete damit, dass Charles Dempsey seinen Rücktritt zum September erklärte. Heute will er in einer Pressekonferenz umfassend zu den ominösen Vorgängen bei der WM-Vergabe an Deutschland Stellung nehmen.

Offen ist weiterhin, was einen derart erfahrenen Funktionär in solche Panik versetzte, dass Franz Beckenbauer befürchtete, „er bekommt einen Herzinfarkt“. War es tatsächlich der Loyalitätskonflikt eines Mannes, dessen Sympathie bei den Europäern liegt, der aber den Auftrag hat, für Südafrika zu stimmen? Waren es die zahlreichen mehr oder weniger drastischen Versuche, ihn auf die eine oder andere Seite zu ziehen, die Dempsey so mitnahmen, dass er, wie Beckenbauers Bewerbungshelfer Fedor Radmann bemerkte, „am ganzen Leib zitterte“? Oder war es gar der „Bestechungsbrief“ von Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn, den der Neuseeländer offenbar als einziger Empfänger ernst nahm? „Ich hatte Angst, mit dem Umschlag gesehen zu werden“, gab er inzwischen zu; er habe „ungeheuren Druck“ gespürt.

Noch vor einem Jahr habe ihnen Dempsey versichert, dass er beim Ausscheiden Englands für die Deutschen stimmen werde, berichten Beckenbauer und Radmann, aber schon beim Kongress der Ozeanier im Mai sei er massiv bedrängt worden, seine Stimme Südafrika zu geben. In seiner Not habe sich Dempsey in Zürich dann an einen alten Kumpel gewandt: ausgerechnet an Lennart Johansson, Uefa-Präsident, großer Freund der Deutschen und Erzfeind von Fifa-Boss Joseph Blatter, der offen für Südafrika warb. Der Schwede muss sich vorgekommen sein wie Gustav Gans und Hans im Glück in Personalunion. MATTI LIESKE

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