herr hefele kriegt zwei minuten
: ALBERT HEFELE über Roping, Skipping und Misvoting

Verbitterung und Widerwillen

Ich hoffe, es ist dem einen oder der anderen aufgefallen, dass die Kolumne eine kurze Pause gemacht hat. Ein Päuschen. Ulla hat es sicher gemerkt (Ulla ist diese eine, mir sklavisch ergebene Leserin), nicht Ulla? Jedenfalls Ulla – ich hab dann später noch was für dich! Ein Leckerchen! Vorher muss ich noch die eine oder andere Sache geißeln ... wollen mal sehen ...

Ach ja. Fremdwörter- und Jugendwahn. Geh ich doch letztens an einer Plakatwand vorbei , auf der ein Mädchen zu sehen war, das über ein Seil sprang. Über ein Seil hüpfte. Jeder kennt Seilhüpfen. Boxer machen es gern und junge Mädchen. Knaben nicht so gern. Warum, weiß ich nicht, ich bin jedenfalls nie über ein Seil gehüpft. War mir irgendwie zu weibisch. Wahrscheinlich weil ich heimlich fürchtete, homosexuell zu sein ... Jedenfalls war auf der Plakatwand einwandfrei und ohne Zweifel ein seilhüpfendes Mädchen zu sehen, aber: auf dem Plakat hieß es nicht Seilhüpfen, sondern „Rope Skipping ...“ Fit bleiben und Spaß am Leben durch Rope Skipping, oder so ähnlich. Vor meinem geistigen Augen tauchten sofort die alerten und bis aufs allerletzte Härchen sorgfältig ungestylten Jungs einer Werbeagentur auf.

Art Director: Also Boris, so geht’s nicht. – „Seilhüpfen und abschwitzen“ – so geht’s nicht.Da muss ich kotzen. Aber echt. Das schärft mich in keiner Weise an ...

Assistent: Echt? Meinst du nicht ... also irgendwie find ich, es hat was voll Nostalgisches, also voll verschnarcht, irgendwie Hinterhofmäßiges ...

Art Director: Geh mir weg, mit deinem Hinterhof. Kein Mensch steht mehr auf Hinterhof. Wer will sich seine Chinos schon in einem dreckigen Hinterhof versauen?

Assistent: Äh du – ich dachte, wir wollten wieder voll auf Prolo gehen ...?

Art Director: Klar gehen wir auf Prolo – aber mit Klasse. Und voll internäschnäll – lass mal sehen, was heißt denn Seil? ... Rope! Das ist doch gut! Das hat was von Rock! Rope me, Baby!

Assistent: Oder: Lass das popeln, geh zum ropeln ...

Art Director: Wie? Ja – äh du Boris, sei doch so gut und hol uns ’n paar Scampis ...

Und so weiter und so fort. Jedenfalls ist es unter Garantie so ähnlich zugegangen.Und darum heißt das gute, alte Seilhüpfen nun Rope Skipping. Nur noch im Roping-Dress auszuüben und im Skipping-Center. Spinning ist voll out. Ich spüre eine große Verbitterung und galligen Widerwillen aufsteigen und ich möchte dagegen ankämpfen und aufhören zu lamentieren.

Darum sage ich auch nichts bzw. fast nichts zur Titanic-versus-Fifa-Affäre. Jedem normalen Menschen bleiben doch die Worte im Halse stecken. Ein Fax, das der verblödetste Kretin in einer Zehntelsekunde als Witz identifiziert und in den Papierkorb geworfen hätte, mobilisiert die Weltpresse, und man erwägt von Seiten des DFB eine Klage. Schatten seien auf das Ansehen unseres Landes gefallen. „Grenzen des guten Geschmacks ...“, wird geraunt. Und: „Was darf Satire eigentlich?“ Ist es nicht zum Verzweifeln?

Aus lauter Verzweifelung suche ich ständig nach neuen Wegen, meinen Lebensunterhalt anderweitig zu verdienen. Jetzt hab ich sogar eine CD gemacht. Musik. Ulla – hörst du mich? Ja – es ist Rhythm & Blues-Musik. Bitte? Doch, sie ist gut geworden, und man kann sie bei mir bestellen. Meine E-Mail-Adresse? Eigentlich möchte ich hier nicht ... na gut, also bitte: Albert-Hefele@t-online.de. Es muss aber unter uns bleiben, Ulla!

Autorenhinweis:Albert Hefele, 48, ist Ergotherapeut, schreibt über die fundamentalen Dinge des sportlichen Lebens und hat eine CD gemacht – mit Musik.