Kohls Briefträger

Als Strippenzieher im CDU-Spendenskandal ist Hans Terlinden ins Visier der Staatsanwälte geraten – daher darf er im Spendenausschuss schweigen

Briefträger hat er gelernt, und auch Jahre später, als Hans Terlinden schon längst in der CDU Karriere gemacht hatte, betätigte er sich noch als Zuträger. Für Helmut Kohl soll der frühere Verwaltungschef im Konrad-Adenauer-Haus heikle Finanzoperationen durchgeführt haben. Er gilt als Strippenzieher in der Spendenaffäre.

Doch vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages hielt es Terlinden wie sein langjähriger Chef: „Sollten Sie mir Fragen stellen: Ich werde ausnahmslos schweigen.“ Er schwieg selbst dann noch, als der Ausschuss im April Beugehaft beantragte und damit zum schärfsten Zwangsmittel griff. Allerdings vorerst umsonst: Gestern wies das Berliner Amtsgericht den Antrag ab.

So ist man weiterhin auf Vermutungen angewiesen. In der Partei galt Terlinden als Kohls treuster Mann. „Hundertprozentig ergeben“, sagen Parteifreunde. Als die Bonner Staatsanwaltschaft Ende letzten Jahres gegen Kohl zu ermitteln begann, blieb „der Briefträger“ seinem Spitznamen treu: Das Vernehmungsprotokoll des CDU-Wirtschaftsprüfers Horst Weyrauch leitete er direkt an Kohl weiter – und nicht an den Parteivorsitzenden Wolfgang Schäuble. Der beurlaubte Terlinden prompt. Doch Kohl dankte die Loyalität nicht, sondern outete Terlinden als „zuständigen Mitarbeiter“ für krumme Geldgeschäfte.

Seit über dreißig Jahren kennen sich Herr und Hund. 1966 holte Kohl das politische Talent nach Rheinland-Pfalz und machte ihn zum CDU-Landesgeschäftsführer. Aufgefallen war ihm Hans Terlinden durch die steile Parteikarriere in seiner Heimatstadt Oberhausen: Gerade 22-jährig, wurde er dort 1957 zum Geschäftsführer der Jungen Union bestellt, vier Jahre später war er schon finanzpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Stadtrat.

Allerdings schien Terlindens Karriere zunächst in Rheinland-Pfalz zu enden, während Kohl als Oppositionsführer nach Bonn wechselte. Zwar hatte Kohl versprochen, ihn nachzuholen. Doch zum Bundesgeschäftsführer und damit zum Gegengewicht von Generalsekretär Heiner Geißler wollte das CDU-Präsidium den introvertierten Terlinden dann doch nicht machen. Erst nach der Entlassung Geißlers war auch Terlinden am Ziel. Als Leiter der Hauptabteilung Verwaltung in der Parteizentrale hatte er fortan die Kontrolle über Personal und Geld.

Wie Kohl geriet auch er damit ins Visier der Staatsanwälte – nur deshalb hat das Berliner Amtsgericht gestern den Antrag auf Beugehaft vorerst abgewiesen.

NICOLE MASCHLER