Neonaziprozess eröffnet

Im April warfen drei Jugendliche Brandflaschen gegen die Synagoge von Erfurt. Ihnen wird jetzt ein kurzer Prozess gemacht. Morgen will das Gericht sein Urteil sprechen

DRESDEN taz ■ Sie wollten „ein Zeichen gegen die Juden setzen“. Deshalb warfen sie am 20. April zwei Molotowcocktails gegen die Erfurter Synagoge. Der Anschlag misslang. Die mutmaßlichen Täter, die ein mit „die Scheitelträger“ unterzeichnetes Bekennerschreiben am Tatort hinterlassen hatten, konnten schon kurze Zeit später verhaftet werden.

Nach nur zweieinhalbmonatiger Ermittlung wurde gestern in Gera der Prozess gegen die drei Angeklagten vor dem Oberlandesgericht Thüringen eröffnet. Der 18-jährige Andreas J., einer der beiden Hauptbeschuldigten, erklärte: „Wir wollten, dass die Synagoge brennt.“ Sowohl J., ein ehemaliges NPD-Mitglied, als auch der zweite Hauptangeklagte, der 17-jährige Carsten H., sind bereits vorbestraft. Auch H. erklärte gestern vor Gericht, er gehöre zur rechten Szene. „Ich habe Menschen jüdischen Glaubens gehasst“, so der Teenager, der mit seiner Tat ein Signal für die rechte Szene setzen wollte. Allerdings bereue er heute seine Tat und sei bereit, sich zu entschuldigen.

Der dritte Angeklagte – der 18-jährige David K. – bestritt gestern zunächst, vom geplanten Überfall auf die Synagoge überhaupt gewusst zu haben. Das Gericht hielt ihm allerdings seine erste Vernehmungsaussage gegenüber der Polizei vor, nachdem K. zumindest eingeräumt hatte, vom Anschlag geahnt zu haben. So hatten die Hauptangeklagten etwa auf dem Weg ihres Wohnortes nach Erfurt an einer Tankstelle Brennspiritus gekauft. Auch hatte K. Kenntnis von der Bedeutung des Tattages in der rechten Szene: Der 20. April ist Hitlers Geburtstag.

Unter schweren Sicherheitsmaßnahmen begann der Prozess zunächst mit dem Ausschluss der Öffentlichkeit. Lediglich Familienangehörige und Journalisten hatten Zutritt. Die Hauptangeklagten müssen sich wegen schwerer Brandstiftung und des Verstoßes gegen das Waffengesetz verantworten, der Nebenangeklagte wegen Beihilfe. Die Verhandlung ist auf nur drei Tage angesetzt. Heute wird die Staatsanwaltschaft ihr Plädoyer abgeben, morgen soll das Urteil gesprochen werden.

Nach Angaben von Roland Jacob, Sprecher des Geraer Gerichts, hat der 17-jährige Carsten H. mit einer Jugendstrafe von bis zu zehn Jahren zu rechnen. Andreas J. und David K. werden wahrscheinlich nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt, was J. eine Höchststrafe von 15 Jahren, K. eine von knapp über zehn Jahren einbringen könnte. Allerdings sieht Jacob im Falle von K. „zwingend strafmildernde Umstände“. NICK REIMER