Ausländerintegration: Viele Visionen, wenige Wege

■ Bremen entwirft ein neues Integrationskonzept und erntet viel Lob für Ausarbeitung und Zielsetzung / Konkrete Schritte sucht man weitgehend vergeblich in dem Papier

Bald ist es auf dem Tisch: Das neue „Konzept zur Integration von Zuwanderern und Zuwanderinnen“. Jahrelang schlummerte das Papier in der Schublade. Unisono begrüßen alle größeren Migranten-Organisationen, dass sich etwas tut in diesem Bereich. „Ich bin seit 1990 hier und erlebe so etwas zum ersten Mal“, meint Navidet Kohlani vom MiBob, ein Projekt, das Migrantinnen bei der Berufsorientierung und Planung hilft. Das letzte Integrationskonzept datiert von Anfang der 80er Jahre.

Eines der wichtigsten Vorhaben in dem Papier von Sozialsenatorin Hilde Adolf (SPD) ist, das Selbsthilfepotential der Zugewanderten zu stärken. Kohlani findet das richtig. „Schließlich kann nur eine Migrantin nachvollziehen, was eine Migrantin braucht.“ Selbsthilfe sei aber nichts Neues, meint dagegen die Geschäftsführerin des „Dachverbandes der Ausländer-Kulturvereine“ (DAB), gleichzeitig SPD-Bürgerschaftsabgeordnete, Gule Iletmis.

„Bislang vermisse ich für die geleistete Arbeit die Anerkennung durch Politik und Behörden.“ Glaubt man dem Papier, soll dies in Zukunft ganz anders werden. Vereine, Initiativen und Organisationen sind eingeladen, sich tatkräftiger als bisher an der Planung und Durchführung der zukünftigen Integrationsarbeit zu beteiligen.

Im Entwurf sind nahezu alle Bereiche des migrantischen Lebens auf nur 13 Seiten aufgelistet. Die Rede ist von Kindern und Jugendlichen, denen bei der Übergangsphase von Schule zum Beruf mehr geholfen werden soll. Jungen Frauen und Mädchen soll die Teilhabe an der Bildung und am gesellschaftlichen Leben erleichtert werden. Erstmals finden auch Senioren Erwähnung. Nach jahrelanger Arbeit dürften sie nicht an den Rand gedrängt werden, heißt es im Konzept. Unter den Zielsetzungen fehlen auch nicht eine verstärkte Sprachförderung, die Schaffung von Orten der Begegnung und die Bekämpfung von Fremdenfeindlichkeit.

Einziges Manko: Schritte und Wege, wie das alles erreicht werden kann, bleiben unerwähnt. „Mit unserem Konzept soll zunächst ein verbindlicher Rahmen beschrieben werden“, verteidigt Sozial-Staatsrat Arnold Knigge das Papier. Ein konkreter Maßnahmenkatalog sollen die betroffenen Ressorts erarbeiten. Und zwar gleich nach der Verabschiedung der Vorlage durch den Bremer Senat, vorraussichtlich am 25. Juli. So wäre die schwierigste Hürde genommen. Nämlich die Einigung auf ein gemeinsames Integrationskonzept zwischen SPD und CDU. Doch genau diesen Spagat sieht man dem Papier an.

Matthias Güldner, innenpolitischer Sprecher der Bremer Grünen, nennt den Entwurf eine Ansammlung von „Allgemeinplätzen und Worthülsen“. Die Opposition will in den nächsten Wochen als Gegenkonzept einen Zehn-Punkte-Plan vorstellen mit konkreten Zielen, Maßnahmen und Finanzierungsmöglichkeiten.

Dass es kaum Kritik am vorliegenden Entwurf von Seiten der Migrantenorganisationen gibt, wundert Güldner nicht. Sie hingen am Tropf der federführenden Sozialbehörde. Da fällt das Kritisieren schwer. Außerdem: „Zu einem Papier, in dem nichts drin steht, kann man auch schwer Stellung beziehen“, so Güldner.

Was den Migrantenvertretern dennoch fehlt, sind so elementare Dinge wie die Ankündigung einer Bundesratsinitiative für ein Antidiskriminierungsgesetz. Darauf wiesen vier Organisationen in einer gemeinsamen Stellungnahme vom DAB hin. Ein Zankapfel innerhalb der großen Koalition ist die Asylpolitik. In der Vorlage spielen Flüchtlinge kaum eine Rolle. Auch das Thema Finanzierung bleibt tabu. Staatsrat Knigge macht sich keine Illusionen, dass es auch in Zukunft eine ressortabhängige Gewichtung der Integrationsarbeit geben wird. Will sagen: insbesondere im CDU-geführten Innenressort könnte alles beim Alten bleiben.

Hanns-Ulrich Barde von der Kinder- und Jugendinitiative Schildstraße und ständiger Gast im Ausländerausschuss der Bürgerschaft fehlt zudem eine Evaluation bestehender Angebote und Projekte. „Man tut so, als wären nur Dinge zu optimieren, zu effektivieren und zu ergänzen, aber ich vermisse eine funktionierende Struktur für Migrations- und Integrationsarbeit.“ Vom Ehrenamt alleine hält der Sozialpädagoge wenig. „Was uns fehlt, ist interkulturell geschultes Personal.“ Zwar werde solches Personal in Bremen ausgebildet, aber nicht eingestellt. Dass sich daran etwas ändert, ist kaum zu erwarten. Alle Zuwendungsempfänger im Bereich Migration müssen in den nächsten vier Jahren eine jährliche Sparquote von knapp fünf Prozent erfüllen. Dadurch könnten sich die hochgesteckten Ziele im neuen Integrationskonzept Bremens sehr schnell als unerreichbar erweisen. llg