Mit grüner Strategie in die Zukunft

Heinrich-Böll-Stiftung präsentiert Studie zur Energiepolitik. Enorme Klimaschutzpotentiale bei Kraft-Wärme-Kopplung. Verkehrswende hat noch wenig Akzeptanz in der Bevölkerung

von MATTHIAS SPITTMANN

In der Bundesrepublik könnten die Kohlendioxid-Emissionen bis 2050 um 80 Prozent gesenkt werden – wenn sie die ein ambitioniertes, aber nicht unmögliches Klimaschutzprogramm aufstellt. Dies ist das Ergebnis einer Studie des Öko-Instituts, die die Heinrich-Böll-Stiftung in Auftrag gegeben hatte. Gestern wurde die Studie in der Stiftung in Berlin vorgestellt.

Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, so Ralf Fücks vom Vorstand der Böll-Stiftung, müsse der Anteil der Kraft-Wärme-Kopplung massiv erhöht werden. Die Altbausanierung brauche eine Förderung in Höhe von mindestens vier Milliarden Mark. In Anbetracht der Tatsache, dass für die Eigenheimförderung derzeit jährlich 22 Milliarden Mark im Haushalt stünden, seien diese Forderungen nicht zu hoch gegriffen. Vor allem in der Verkehrspolitik sei außerdem eine Wende dringend notwendig. „Hier muss in der Bevölkerung eine Akzeptanz gefunden werden, wie sie die Energiewende schon hat“, forderte die energiepolitische Sprecherin der Grünen, Michaele Hustedt.

Wer Einfluss auf die CO2-Emissionen des Jahres 2050 nehmen wolle, müsse deshalb schon heute die Weichen in der Politik stellen. Hustedt kritisierte in diesem Zusammenhang die frühere Regierung Kohl: Hätte man 1990 mit wirksamer Klimaschutzpolitik begonnen, wäre heute jeder fünfte Altbau saniert, und die umweltfreundliche Kraft-Wärme-Kopplung hätte einen Anteil von 25 Prozent an der Stromerzeugung.

Eine große Chance für den Standort Deutschland könne sich aus dem Wandel zu einer Dienstleistungswirtschaft in der Energie ergeben: Verkauft werden nicht mehr Kühlschränke und Strom, sondern die Dienstleistung „Kühlung von Lebensmitteln“. Der Anbieter muss dann im eigenen Interesse darauf achten, dass seine Geräte wenig Strom verbrauchen, lange halten und keine Gifte enthalten, für deren Entsorgung er in die Tasche greifen muss.

Um konkrete Ideen ist man nicht verlegen. Matthes schlug von deutschen Firmen finanzierte Energiesparprogramme in den USA vor, deren Kohlendioxid-Einsparung als „joint implementation“ dem Finanzier zu Gute käme. Hustedt entwickelte ein neues Tätigkeitsfeld für Stadtwerke. Sie könnten die Verwaltung vieler kleiner Blockheizkraftwerke von Privatpersonen übernehmen und diese zu „virtuellen Kraftwerken“ zusammenschalten.

Das Potential für eine radikale CO2-Reduzierung ist also da. Kommt der politische Wille hinzu, sind bis 2020 CO2-Verminderungen von 45 Prozent zu erwarten. Zu wirtschaftlichen Bedingungen.

Die Forscher haben dazu zehn bereits erschienene Studien ausgewertet und in Szenarien zusammengefasst. Grundvoraussetzung war dabei, die Erneuerungszyklen von Produkten und Kraftwerken im Auge zu behalten, erklärte Felix Matthes vom Öko-Institut. So würden Kraftwerke nach 25 bis 40 Jahren abgerissen, Autos im Schnitt zwölf bis fünfzehn Jahre gefahren und Häuser alle 40 Jahre saniert. Denn wer den Zeitpunkt eines normalen Austauschs eines Gerätes verpasst, muss entweder warten, bis das neue Gerät wieder auf die Halde wandert – und damit die Eigenschaften wie Energieverbrauch und Kohlendioxid-Ausstoß akzeptieren – oder aber die Geräte früher austauschen – was eine unnötige Ressourcenverschwendung sein kann, zumindest aber zusätzliche Kosten verursacht und aus diesem Grunde zu Widerständen führen kann.

Die Bundesrepublik müsse darüber hinaus in die internationale Offensive gehen, die im Rahmen des Kyoto-Protokolls entwickelten Mechanismen aufgreifen und gleichzeitig Auswüchse bekämpfen, sagte Matthes. Angesichts der jetzigen klimatischen Veränderungen warnte Matthes vor Verzögerungen. „Entweder die Energiepolitik richtet sich strikt auf die ökologischen Dimensionen, oder es wird bald keine mehr geben“, sagte er.

Die Studie der Heinrich-Böll-Stiftung und des Öko-Instituts liegt dem taz-Sonderheft „Energiewende“ bei, dass ab 26. Juli an den Kiosken erhältlich ist. Das taz-Journal thematisiert die Revolution der Energiepolitik: das sich abzeichnende Ende des Atom-, Kohle- und Erdölzeitalters und den Wechsel zu erneuerbaren Energiequellen.