: Sägende Kunstbanausen
Von den Kümmernissen eines Landschaftsarchitekten, dem die Stadt zuviel Ästhetik stutzt und Kunst verkommen lässt ■ Von Gernot Knödler
Kettensägenmassaker in Hamburger Parks. Gärtner lynchen die Ästhetik, die Stadt tut Hinnerk Wehberg weh. Der Landschaftsarchitekt redet sich bei seinem Vortrag „Plätze in unserer Stadt“ im Architektur-Centrum in Rage. Es spricht der Frust eines Künstlers, dessen Werke die Stadt erst bestellt und die sie dann verkommen lässt oder verstümmelt.
Zum Beispiel am Kaltenkirchener Platz. Direkt vor dem Paket–Postamt an der Stresemannstraße legten Wehberg und seine Kollegen einen Platz als Kunstwerk an. Sie pflasterten das Gelände mit Klinkern, aber nicht banal eben, sondern mit einem Schwung, der sich an den Rändern des Post-Vorplatzes zu Wällen aufwirft.
Von der Kaltenkirchener Straße sieht das aus wie das Außenwerk einer Schanze. Von der Stresemannstraße würde es ebenso aussehen, wäre nicht das Gartenbauamt Altona. Das ist nämlich auf die Idee gekommen, mit ein wenig Grün an dieser Stelle die Stadt freundlicher zu machen. Heute ist der künstlerische Schwung des südlichen Walls hinter dichtem Buschwerk versteckt.
An anderer Stelle schwenken die Wälle nach innen, um einem Weg Platz zu machen. Auf dem steht ein Baum, der einmal drei Stämme hatte. Gut für das künstlerische Konzept, dachten sich Wehberg & Co und ließen für den nördlichen Stamm eigens eine Extrakurve in den Wall bauen. Die Ziegelwand floss gleichsam um den Seitenstamm herum, so dass sich ein harmonisches Ensemble ergab.
Als er den Platz jetzt für seinen Vortrag wieder besuchte, muss Wehberg fast der Schlag getroffen haben: Die Stämme links und rechts sind abgesägt, der Wall umfließt nichts als Luft. Da müsse wohl einer gedacht haben, was ein richtiger Baum ist, das hat nur einen Stamm, meint Wehberg.
Doch es kam noch schlimmer: Eine teure Taxus-Hecke, die nach den Plänen der Landschaftsarchitekten zu einer mollig runden Form hätte gestutzt werden sollen, präsentiert sich heute als formloses Gestrüpp. Der zuständige Gärtner hatte die Hecke offenbar nicht als solche erkannt. Er zwickte alle Seitentriebe ab und machte sie zum Bäumchen.
Und auch der Gerhart-Hauptmann-Platz gruselt Wehberg: Die wellenförmigen Bänder auf dem Platz waren eigentlich nicht als Parcours für SkaterInnen gedacht, sondern als Brunnen. Teure, funktionierende Technik dafür liege unter dem Platz, behauptete Wehberg. Sie wurde nach wenigen Jahren schlicht abgeschaltet.
Manchmal ließe sich die Schönheit von Plätzen ganz simpel wieder hervorzaubern, demonstrierte der Landschaftsarchitekt am Hansaplatz mit seinem stillgelegten Brunnen. Es bräuchte nur das Buschwerk am Rand des Platzes entfernt werden, um den finsteren Ort wieder freundlich zu machen.
Auch private Plätze bekümmern den Künstler zuweilen: Ein Hamburger Luxushotel habe vor seinem vornehmen Eingang eine poppige Plastik-Eisbude aufstellen lassen. Da rotiert der Ästhet im Architekten.
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