Keineswegs der letzte Tango

■ Salsa, Kuba, Caipirinha: Kein Zweifel, die HamburgerInnen sind ganz wild auf alles, was aus Lateinamerika kommt

Ein Blick in den Veranstaltungskalender genügt: Bands wie Cubanissimo, die heute Abend auf dem Fleetinsel-Festival den kubanischen Son zelebrieren, geben sich derzeit in Hamburg die Klinke in die Hand. Tanzkurse, in denen sich Mann und Frau am kolumbianischen Merengue versuchen, verzeichnen einen enormen Zulauf. Kein Zweifel: Musik und Tanz, Essen und Trinken aus Lateinamerika sind momentan schwer angesagt. Aber warum sind die HamburgerInnen so wild auf (fast) alles, was aus Mittel- und Südamerika kommt? Joachim Zunk vom Café Altamira sieht den Grund vor allem in der „guten Atmosphäre“, die die kubanische Musik ausstrahlt. „Das Interesse ist durch den Film Buena Vista Social Club natürlich enorm gestiegen“, sagt Zunk. „Wenn wir bei uns diese Scheibe auflegen, springen die Leute sofort hoch und fangen an zu tanzen.“

So wie Gesa Herbst. Die 23-Jährige liebt Salsa. „Wenn ich mal schlecht drauf bin, und dann die Musik höre, muss ich mich danach bewegen – und sofort gehts mir besser“, sagt sie. Den Film von Wim Wenders hat sie noch nicht gesehen, aber das will sie vielleicht am 28. Juli nachholen, wenn der Streifen open-air in der Zinnschmelze läuft.

Beim Plattenladen Danza y movimiento werden psychologische Gründe für den Latin-Boom ins Feld geführt. „Die Leute leben in einer Gesellschaft, in der Effektivität und Rationalität eine große Rolle spielen. Viele sind deshalb auf der Suche nach Leidenschaft, Sinnlichkeit und Emotionen. Und hoffen, das in lateinamerikanischer Musik zu finden – oder im Tanzen zu zweit, etwa beim Tango“, meint Tanja Weinspach. Gelegenheit, diese Behauptung zu überprüfen, findet sich möglicherweise beim Internationalen Tango-Festival, zu dem das Tanzstudio Universo Tango und die Initiative für Lateinamerikanische Tänze vom 17. bis 20. August einladen (Infos: www.tangofestival-hamburg.de).

Eine differenzierte Meinung zum Latino- und Salsa-Hype vertritt José Antonio. Für den Herausgeber der zweisprachigen Zeitschrift „el nórdico“ ist es eine reine Modeerscheinung: „Vor ein paar Jahren waren die Leute ganz wild auf italienische Musik. Jetzt ist eben Salsa dran“, sagt er. Problematisch findet er, dass in den Tanztempeln „echte“ Lateinamerikaner nicht gern gesehen sind. „Meistens geben die Leute aus Mittel- und Südamerika in den Läden kein Geld aus, einfach weil sie wenig haben“, so seine Beobachtung.

Für José Antonio ist der Latin-Boom zudem schon am Abflachen: „Demnächst werden die Afrikaner ganz groß rauskommen“, prophezeit er. „Mit Restaurants und Locations für schwarze Musik“. Sven Tietgen

Wer sich bis dahin noch der Salsa-Szene widmen möchte, studiert den taz-Veranstaltungsteil oder das Internet: Unter www.latinohamburg.de sind aktuelle Veranstaltungen ebenso aufgelistet wie Bars, Restaurants und Clubs mit Live-Musik, Anbietern von Salsa-Tanzkursen sowie lateinamerikanische Radio- und TV-Programme.