Ein Kessel für ein Karree

Gasag und S.T.E.R.N. präsentieren im Prenzlauer Berg ein Nahwärmeprojekt mit bislang 16 Wohn- und Geschäftshäusern. Die Anlage stößt jährlich 250 Tonnen weniger Kohlendioxid als herkömmliche Technologie aus

von HOLGER KLEMM

Im Teutoburger Wald schlug Hermann, der Cherusker, die Römer. Geschlagen in der Nähe von Rom wurde der Stein für das neue Gasag-Gebäude; alte Steinbrüche wurden extra dafür wieder eröffnet. Und gut geschlagen hat sich die Gasag jüngst am Teutoburger Platz. Sie präsentierte ihre Erfolgsbilanz für ein Nahwärmeprojekt im Prenzlauer Berg.

Zwei Besonderheiten zeichnen es aus: zum einen die große Zahl an Beteiligten, die sich zum Verbund zusammenschlossen. Bis auf wenige Häuser bezieht ein gesamtes Karree Heizung und Warmwasser von einer Gemeinschaftsanlage. Das Sanierungsgebiet Teutoburger Platz ist eines von fünf besonders geschützten Arealen im Prenzlauer Berg. 16 Wohn- und Geschäftsgebäude werden von einer Zentrale über eine Wärmeübergabestation in jedem Keller versorgt.

Zum Zweiten ist es ökologisch vorbildlich. Solarenergie ergänzt die erdgasbetriebene Kraft-Wärme-Kopplungsanlage. Am stärksten profitiert wohl jener Mieter, der das Projekt in die Wege leitete: die Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung S.T.E.R.N. Sie sparte im letzten Jahr rund 10.000 Mark an Heizkosten im Vergleich zu einem Fernwärmeanschluss. Wolfgang Jarnot, Stadtplaner und Sanierungsbeauftragter der Gesellschaft, erfüllte sich mit der Anlage einen lang gehegten Wunsch. Schon in der Nähe ihres früheren Sitzes in Kreuzberg sollte nach seinen Vorstellungen ein Nahwärmeverbund entstehen. Doch die Bewag ließ damals nicht zu, dass Rohre unter der Straße verlegt werden, um gegenüberliegende Häuser mit anzuschließen. Erst das hätte die Anlage rentabel gemacht. Die Bewag hatte die Rechte – und sie besitzt heute knapp 32 Prozent der Gasag-Anteile.

Seit 1994 sitzt S.T.E.R.N. im neuen Gebäude am Teutoburger Platz. Jarnot gelang es schnell, weitere Hauseigentümer im Karree von den Vorteilen des Konzepts zu überzeugen: Schornsteine und separate Heizanlagen werden eingespart. Alle sonst dazugehörigen Wartungskosten und Gebühren entfallen – damit sinken die Betriebskosten. „Unsere Dächer haben keine Schornsteine mehr. Dadurch“, erklärt Jarnot, „lassen sich Dächer flexibler als Wohnungen ausbauen.“ Den meisten Eigentümern der angrenzenden Häuser kam das sehr gelegen. Gängiger Standard der Wohnhäuser war bis dahin Ofenheizung.

Seit Anfang 1997 steht der Brennwertkessel unter Dampf. Jedes Haus ist durch eine Wärmeübergabestation mit der Heizzentrale verbunden und wird so mit Heizung und Warmwasser versorgt. Die Preise sind mit 97 Pfennig pro Quadratmeter niedrig. Fernwärme kostet im Vergleich rund 1 Mark 50. Die Formel ist einfach: Je mehr Häuser angeschlossen sind, desto geringer ist der Preis. Schon ab 100 Kilowattstunden soll sich eine eigene Anlage rechnen – am Teutoburger Platz wird gegenwärtig die mehr als zehnfache Leistung gefahren. Weitere Häuser mit noch laufenden Restitutionsverfahren sollen dazukommen.

Gern verweist Gasag-Mitarbeiter Thomas Schramm auf das Sahnehäubchen des Modellprojektes: die Solaranlage. Auf einem der Dächer sind 35 Quadratmeter Sonnenkollektoren installiert. Beinahe hätte der Denkmalschutz einen Strich durch die Rechnung gemacht. Die Anlage zeigt zum Teutoburger Platz – ein Unding nach üblicher Rechtsprechung. Gerade bei einer Platzrandbebauung gehören die Kollektoren auf den Hinterhof. Sie gelten weiterhin als optische Verschandelung und sollen nicht zu sehen sein. Schramm brauchte lange, um einen Kompromiss aushandeln zu können. Im vergangenen Jahr erreichte die Solaranlage eine Leistung von 12.500 Kilowattstunden. Das ist zwar nur knapp ein Prozent der Gesamtleistung. Doch im Verbund von Gas und Sonnenenergie konnte der Kohlendioxid-Ausstoß um 250 Tonnen pro Jahr gesenkt werden.

Die Gasag hat sich diese Erfolgsbilanz knapp eine halbe Million Mark kosten lassen. Als größter Anbieter seiner Art in Europa mit 750.000 Kunden können sich die Berliner Gaswerke ein derartig aufwendiges Prestigeobjekt eben leisten. Andere Anbieter, mit denen S.T.E.R.N. damals wegen des Nahwärmekonzeptes verhandelte, mussten abspringen, weil ihnen das Risiko zu groß war. Und Anbieter können nun mal keine öffentlichen Zuschüsse akquirieren. Hauseigentümer dagegen, die sich eine eigene Heizung leisten, können das. So muss auch Schramm eingestehen, dass sich gerade der Einbau von Solaranlagen nur lohnt, wenn eine Förderung besteht. Das neu aufgelegte 100.000-Dächer-Programm (taz vom 7. 7.) ist ein Schritt in die von ihm gewünschte Richtung. Aber Schramm sieht durch die Liberalisierung des Strommarktes noch weiteren Bedarf: „Die Bundesregierung ist gefordert, die Kraft-Wärme-Kopplung zu fördern!“ Denn weitere Nahwärmeinseln sind geplant, zum Beispiel im Zuge der Pfefferberg-Sanierung. Wer zahlt die Kosten? Wer kümmert sich? Wo bleibt Gerhard, der Schrödusker?!