Ein Hoch auf die internationale Solidarität

Zwei Sportvereine feiern Geburtstag. Sie starteten als linke Alternativen zum bürgerlichen Sport. Heute sind die Arbeitersportler vom SV Solidarität und die Friedensaktivisten vom FC Internationale in der neuen Zeit angekommen

„Das Ziel des ASV Solidarität ist die Organisierung des breiten Massensports auf solidarischer Grundlage“ (Beginn der Satzung).

Es ist wirklich nicht leicht, das Gefühl zu beschreiben, welches einen beschleicht, wenn mensch Personen gegenübersitzt, die solche Ziele hatten. Eva Stullich und Günter Lütke sind beide mit Würde gealtert, so Mitte/Ende Vierzig. Sie erzählen von den Anfängen des SV Solidarität, der in der Berliner Freizeitliga kickt und in diesem Jahr seinen 25. Geburtstag feiert.

Es fallen immer wieder vertraute Begriffe: „K-Gruppen, Berufsverbot, Hausbesetzer“, ein bisschen wie Oma und Opa erzählen vom Krieg. „Sicher sind die Zeiten unpolitischer geworden“, sagt Eva Stullich und das klingt nicht nur resigniert: „Wir haben die Gesellschaft wenigstens bewegt, heute fehlt der Schwung von unten.“ Selbst der Hinweis auf die großen Fehler der sog. K-Gruppen (KPD, KPD/ML, KBW) wirkt kraftlos. Deren Irrtümer haben sie schon in den Achtzigern erkannt, eine aufregende, naive Episode ihrer Jugend, „Günter, weißt du noch, wie die Bullen . . .“

„Sicher ist die Jugend heute individualisierter und freier“, meint Ulrich Linnemann, der noch aktiv Fußball spielt. „Die Frage nach der sozialen Verantwortung stellt sich aber immer noch, damals wie heute.“ Da kommt auch wieder der Verein ins Spiel.

Keine Frage, dieser Klub, der bis 1978 noch ASV (Arbeiter Sportverein) Solidarität hieß, liegt im Sterben. Er hat etwa 120 Mitglieder, außer Fußball werden noch Badminton und Volleyball gespielt. Aber es gibt keine einzige Jugendmannschaft. „Im Sportverein kannst du halt nicht Samstagabend sagen, morgen spiel ich nich, es geht nicht nur um Bockhaben“, führt Linnemann enttäuscht aus. Ohne eine große soziologische Theorie bemühen zu müssen, ist leicht zu erkennen, dass dieser ehemals hoch politische Klub gleich zwei Probleme auf einmal hat. Er gilt aufgrund seiner alternativen Tradition als uncool und er ist ein Verein und damit eine ebenfalls uncoole Organisationsform. Das wäre nicht so beklagenswert, würden sich aktuelle Alternativen anbieten.

„Der Verein soll Angehörigen aller Nationalitäten die Möglichkeit bieten, Mitglied des Vereins zu werden“ (aus der Satzung).

Das hört sich doch schon ganz anders an. Auch der FC Internationale Berlin ist mit emanzipatorischen, hehren Zielen gestartet und feiert dieses Jahr einen runden Geburtstag. 1980 wurde der Verein im Umfeld der Friedensbewegung gegründet. Ein paar dieser alten Ex-Demonstranten gibt es immer noch. Im Vorstand sind sie überproportional vertreten, in der ersten Herren-Fußballmannschaft dafür gar nicht. Auch Karl Ultsch, Urgestein aus den Anfangsjahren, beklagt die Entpolitisierung des Vereins ohne den alten Zeiten wirklich nachzutrauern. „Wir sind heute ein ganz normaler Verein. Erst kommt Fußball. Jeder hat sich im Laufe der Zeit verändert, Familien gegründet.“ Anscheinend wurden die eigenen Kinder gleich im Verein angemeldet, von den 16 Fußballteams sind 8 Jugendmannschaften, eine stolze Bilanz. Der Verein ist mit seinen etwa 450 Mitgliedern fest im Schöne-/Kreuzberger Kiez verankert, der FC Internationale ist ein Begriff im Berliner Sport.

Obwohl die erste Mannschaft in der Landesliga zur neuen Saison mit einem „No Racism“-Aufdruck aufläuft, vermittelt sie nicht den Eindruck engagierter Politikaktivisten. „Die Intellektualität ist bei uns schon sehr hoch“, betont Thomas Fehlker, ebenfalls aus dem Vorstand, „bei uns wird nicht nur über Fußball gesprochen. Viele Eltern kommen zu uns und wollen ihre Kinder beim FC Internationale anmelden. Wir haben da einen bestimmten Ruf.“ Diese mehr pädagogische Fährte führt direkt zum heutigen Verein.

Sie haben es auch schon vor dem Nationalmannschaftsdebakel gewusst, der Fußballer von heute braucht andere, intelligentere Fähigkeiten. Das Zauberwort hier: „ballorientiertes Training“. So blieb zwar ebenso wie beim SV Solidarität der hier nicht ganz so radikale Anspruch auf der Strecke, aber vor Ort wird tatsächlich etwas verändert. So naiv das auch klingt, die viel zitierte „Politik im Kleinen“ wirkt hier. Ein kleiner pädagogischer oder sozialer Anspruch wird aufrechterhalten, die großen Themen, die drei großen -ismen, Nationalismus, Rassismus und Sexismus, bleiben. MATHIAS STUHR