IN CAMP DAVID WIRD VERHANDELT, IM HEILIGEN LAND WIRD DEMONSTRIERT
: Trügerische Rückendeckung

Von einer viertel Million Menschen sprachen die jüdischen Siedler am Tag nach ihrer großen Demonstration. Die Zahl mag annähernd stimmen, und dennoch trügt sie. In den religiösen Gruppen wird Disziplin groß geschrieben. Getan wird, was der Rabbi sagt, und niemand bleibt zu Hause, wenn der Bus zur Demo vorfährt. Ähnliches gilt in den jüdischen Siedlungen, die oft so klein sind, dass jeder jeden kennt, und wo sozialer Zwang zu vielleicht nicht immer gewolltem Verhalten motiviert. Wer nicht bereit ist, gegen die Aufgabe des eigenen Heims – wenn auch auf besetztem Boden – zu kämpfen, wird sich am nächsten Tag der Kritik seiner Nachbarn stellen müssen.

Die Linke hat es nicht so leicht, ihre Aktivisten auf die Straße zu holen, vor allem in Zeiten, in denen die Regierenden ohnehin schon mit Frieden-Machen beschäftigt sind. Mit einem Aufgebot allein aus Politikern ist da nicht viel zu machen. Bei den israelischen Friedensdemonstrationen gibt es auch deshalb immer ein kulturelles Programm mit sich solidarisierenden Liedermachern und Schriftstellern. Und selbst das reicht oft nicht aus, um die Massen zu mobilisieren. Dennoch hat Barak auf seiner Mission in Camp David die Mehrheit hinter sich. Um den Frieden mit den Palästinensern ging es, als Barak im Mai vergangenen Jahres 15 Prozent mehr Wählerstimmen einheimste als sein Kontrahent Benjamin Netanjahu vom Likud-Block. Die Großkundgebung der Rechten muss Barak also nicht verunsichern.

Es ist eher Jassir Arafat, der sich Sorgen um die Stimmung im eigenen Volk machen muss. Die Trainingslager der Fatah-Jugend, wo an echten Gewehren der Ernstfall geprobt wird, indizieren die Bereitschaft zum Kampf und die Warnung an den Chef: Besser gar kein Vertrag als ein schlechter. Während Ehud Barak seine berühmten „roten Linien“ hinsichtlich Grenzverlauf, Jerusalem und die Siedler selbst aufgestellt hat und ebenso selbst wieder einreißen könnte, ist Arafat derzeit an Beschlüsse des PLO-Zentralrates gebunden. Das setzt ihn zum einen unter Druck, zum anderen gibt es ihm bei den Verhandlungen Rückendeckung. „Bis hierher und nicht weiter“, könnte er argumentieren, denn „der Zentralrat erlaubt es nicht“. Für Arafat, der es gewohnt ist, seine Entscheidungen alleine zu treffen, gelten momentan veränderte Regeln. Die Palästinenser sind mit Blick auf die Deklaration ihres Staates, voraussichtlich am 13. September des Jahres, auf einen bevorstehenden Konflikt vorbereitet. Damit lebt der alte Mythos von einer Lösung per bewaffnetem Kampf wieder auf, völlig ungeachtet der unrealistischen Möglichkeiten, der israelischen Armee auch nur im Geringsten Paroli bieten zu können. SUSANNE KNAUL