zwangsarbeiter
: Quälender Lernprozess

Wir alle sind stolz darauf, gemeinschaftlich und/oder individuell bis zum seligen Ende zu lernen. Ob allerdings Otto Graf Lambsdorffs Charakterisierung der 15-monatigen Verhandlungen zur Entschädigung der Zwangsarbeiter als „kollektiver Lernprozess“ tatsächlich ein Lob beinhaltet, ist fraglich. Denn das Lernziel, die Höhe, die Formen und die Organisation der Zahlungen an die Zwangsarbeiter, wäre in einem Bruchteil der Lernzeit, sprich der verrinnenden Lebenszeit der Opfer, zu erzielen gewesen.

Das trifft besonders auf die Forderung der deutschen Stiftungsgründer nach hinreichender Rechtssicherheit gegenüber laufenden oder zukünftigen Klagen in den USA zu. Diese Forderung hatte einen doppelten negativen Effekt. Sie diente zahlreichen Firmen als Vorwand, der Stiftungsinitiative fern zu bleiben, und sie führte dazu, das Abkommen Monat um Monat zu verschleppen. Dabei hätten die Urteile zweier Bundesgerichte in den USA die Unternehmer davon überzeugen können, dass sie bei Klagen von Zwangsarbeitern vor amerikanischen Gerichten nichts zu befürchten haben.

Kommentarvon CHRISTIAN SEMLER

Der amerikanische Verhandlungsmoderator Stuart Eizenstat hat sich gestern für die Initiatoren der Stiftung in die Bresche geworfen und erklärt, man könne die Motive der Stifter nicht auf das Interesse an sicheren Verhältnissen auf dem amerikanischen Markt reduzieren. Genau das sollte man. Die Entschädigung der hunderttausende osteuropäischer Zwangsarbeiter musste den großherzigen Herren um Manfred Gentz erst aufgedrückt werden. Und die Errichtung des Zukunftsfonds war in erster Linie ein Köder, der Unternehmen einbinden sollte, die mit Zwangsarbeit absolut nichts zu tun hatten.

Mögen auch alle Beteiligten, voran Bundeskanzler Schröder, von der Einmaligkeit der deutschen Initiative zur Entschädigung der Zwangsarbeiter schwärmen. Die Stiftungsinitiatoren haben es bis heute versäumt, die Front der Beitrittsverweigerer ernsthaft anzugreifen. Ihr ständiges Beharren auf „Freiwilligkeit“ des Beitritts (wie sollte es denn sonst gehen?), ihre Weigerung, auf die Verweigerer Druck auszuüben, hatte in erster Linie Beruhigungseffekte. Gestern kündigte Manfred Gentz eine neue Werbekampagne an. Bei denen, die Zwangsarbeiter einsetzten und bislang auf stur schalteten, wird auch das nichts nutzen. Bleibt als einziges Mittel, das Projekt nicht doch noch schmachvoll scheitern zu lassen: der öffentliche Pranger.