Löffler soll Naddel werden

Weg mit den Büchern, her mit dem Spaß, an dem sich alte Knaben laben: Die aktuelle Krise des „Literarischen Quartetts“ könnte sofort auf das Allerleichteste beendet werden

Früher einmal widmete sich das „Literarische Quartett“ dem Reden über Literatur, und alle Welt wunderte sich, dass die halbe Welt das sehen wollte. Inzwischen ist die halbe Welt stark abgebröckelt, doch hat der Patron der Sendung, Marcel Reich-Ranicki, die Zeichen der Zeit rechtzeitig erkannt und das Ruder zu Gunsten populärerer Sportarten mutig herumgerissen: Geschlechterkampf und Verbal-Wrestling. Dem Damen-Ringkampf – hier in Form des Ringens zweier Herren mit einer Dame, Schlammwürfe erwünscht – war so das gesamte letzte „Quartett“ gewidmet. Literarisches Rahmenthema: die Erotik.

Es ist nur natürlich, dass Patrons zu diesem Gegenstand ein besonderes Verhältnis pflegen und literarische Sätze wie „Ich wollte sie bis zur Hirnerweichung vögeln“ gerne loben (zudem die Sendung ja auch eine gewisse Ratgeberfunktion erfüllen und den lebenspraktischen Aspekt nicht außer Acht lassen soll). Die Frau als solche hingegen hat sich bekanntlich seit Jahrtausenden als das scherzlose Geschlecht hervorgetan und in ihrer genuinen Humorlosigkeit so mancher schönen Schwellkörperfantasie immer mal wieder die Luft (oder was das war) rausgelassen. Sigrid Löffler kam also die Aufgabe zu, diese Gender-Position offensiv zu vertreten. Mit dem Hinweis auf „literarisches Fastfood“, an dem sich alte Knaben laben, hat sie das auch vorbildlich getan. Zum Entzücken des Patrons: „Jedes hocherotische Buch wird von Ihnen abgelehnt! Sie können die Liebe im Roman nicht ertragen!“ Die kleine Aufmunterung, Frau Löffler müsse ja wohl „blind und taub sein“, garantierte dann noch emsiges Wrestling bis zum Ende der Sendung.

Natürlich kann ein Patron nicht auf sich sitzen lassen, was er selbst in der Hitze des Gewühls gesagt hat. Er muss es außerhalb des Rings noch einmal ein bisschen zuspitzen. „Ich kann das Weib nicht ertrrragen. Das ist ein widerrrliches, niederrrtrrrächtiges Weib“, teilte er daraufhin dem Hausblatt der Literaturfreunde, der Bunten, mit und empfahl, zwecks Gewinnung eines genaueren Persönlichkeitsbildes des „Weibs“, „zu ihrem Psychoanalytiker (zu) gehen“. Ach, wer hätte nicht mit eigenen Augen gesehen, dass „die Zusammenarbeit mit Frau Löffler eine Qual“ ist und der Patron nur eines bedauert: dass er sie „doch nicht einfach rausschmeißen“ kann. Fest steht aber: Sollte das „Literarische Quartett“ in seiner Neuformierung als „Lit-Peep“ womöglich eingestellt werden, so hätte dies mit ihrer Erotikfeindschaft allein das niederträchtige Weib getan!

Man kann daher Hellmuth Karasek nicht genug danken, dass er mit kühnem Blick nach vorn einen Ausweg aus dem Dilemma vorgezeichnet hat. Ebenfalls in der Bunten („Die Wussows: Ehekrieg – dritte Runde“, „Eva Herman: Was macht sie nur falsch?“) gab er zu Protokoll: „Der (MRR) hat Frau Löffler auch nicht körperlich verletzt, sie war nachher noch am Leben und wird auch in der nächsten Sendung wieder auftauchen. Also es ist nichts wirklich passiert sozusagen.“ Das lässt uns hoffen, sozusagen: Bücher zu Schlagwaffen! Das würde bestimmt auch vielen gefallen, denen bisher ganz andere Kultursendungen Spaß gemacht haben.

Die unblutige Variante wäre allerdings auch nicht zu verachten. Die richtige Miss-Wahl vorausgesetzt, könnte man sich endlich ganz unbefangen den schönen Seiten des Lebens zuwenden und ohne hinderliche Metaebenen gleich zum real stuff kommen. Sorry, Herr Karasek, wir fordern: Naddel for Löffler!

FRAUKE MEYER-GOSAU