Im Sog des Wahldebakels

Während sich Mexikos designierter Präsident Vicente Fox auf die Regierungsübernahme vorbereitet, üben sich die Wahlverlierer in Selbstzerfleischung. Vor allem die linke PRD weiß nicht, wie sie mit der Niederlage umgehen soll

aus Mexiko-StadtANNE HUFFSCHMID

Vicente Fox, ehemals erfolgreicher Coca-Cola-Manager und künftiges Staatsoberhaupt des „neuen Mexiko“, ist überzeugt davon, dass auch Regierungsgeschäfte strikt betriebswirtschaftlich anzugehen sind. Ein halbes Dutzend Headhunter sind derzeit damit beauftragt, das Land nach geeigneten Führungskräfte abzusuchen. Nicht mehr Parteienproporz und Vetternwirtschaft sollen die Regierungsbildung bestimmen, so Fox, der seine Leute „höchstpersönlich“ auswählen will, sondern Einsatzbereitschaft und „Talent“.

Für den Wahlverlierer, die Noch-Regierungspartei PRI, bleibt in der Presse oft nur noch der blanke Spott. Nach einer Reihe von Krisensitzungen war in der vergangenen Woche der gesamte Parteivorstand geschlossen zurückgetreten – bis auf die Parteivorsitzende Dulce María Sauri. Diese soll nun eine „Übergangskommission“ zur Gewährleistung der „internen Regierbarkeit“ leiten. An die Stelle der viel beschworenen Einheit aber scheint spätestens mit der Wahlniederlage eine dramatische Identitätskrise getreten zu sein.

So profilieren sich ausgerechnet die Ex-Gouverneure Manuel Bartlett und Roberto Madrazo – beide als Hardliner und mutmaßliche Wahlfälscher bekannt – als Wortführer einer „Demokratisierung“ und prangern gar den Verlust der revolutionären Traditionen durch die „neoliberale Epidemie“ an. In ihrer Schusslinie steht der amtierende Präsident Ernesto Zedillo. Dieser habe, lautet der Vorwurf der erbosten Genossen, am Wahlabend „vorschnell“ die Ergebnisse anerkannt und so die Sache der Partei „verraten“. Just mit dieser – in der Weltpresse als „staatsmännisch“ gelobten – Geste habe Zedillo jeden Führungsanspruch verspielt, polterte Bartlett.

Dabei ist, bis auf den Präsidentensessel, für die PRI längst noch nicht alles verloren: In 21 von 31 Bundesstaaten regiert sie weiterhin und stellt noch immer die jeweils stärkste Fraktion in Kongress und Senat. Hingegen ist die zweite Wahlverliererin, die sozialdemokratische Partei der Demokratischen Revolution (PRD), nicht mal mehr Zünglein an der Waage. Sie hat bei den Präsidentschaftswahlen genauso verloren wie im Kongress – und selbst in der Stadtversammlung von Mexiko-Stadt, ehemalige Hochburg der Linkspartei, stellt sie künftig nur noch 26 von 66 VertreterInnen. So wird der gewählte PRD-Bürgermeister Manuel Andres López Obrador dort künftig mit einer konservativen Mehrheit leben müssen.

Wer oder was für das Debakel verantwortlich ist, darüber wird derzeit noch halblaut spekuliert. Zum einen ist verächtlich von Fox’ „gelungenem Marketing“ die Rede. Andere beklagen die akute „Entfremdung“ der PRD von den real existierenden sozialen Bewegungen im Lande.

An die Stelle einer „profunden Selbstkritik“ aber treten auch bei der PRD zunächst Schuldzuweisungen. Nicht wenige verlangen zuallererst den Rücktritt der Parteivorsitzenden Amalia García.

Die 45-jährige Feministin, die als Pragmatikerin gilt und das klientelistische Gebaren linker Partei- und Massenorganisationen ablehnt, ist manchen Genossen ohnehin ein Dorn im Auge. Schon lange vor den Wahlen hatte sie sich für die Erneuerung der PRD hin zu einer „modernen Linken“ ausgesprochen, die sich über den Einsatz für soziale Gleichheit, Menschen- und Bürgerrechte sowie für die Demokratisierung der Geschlechterverhältnisse profilieren müsse.

So ist die angeschlagene Linkspartei vorerst vor allem mit sich selbst beschäftigt. Damit das bis auf weiteres so bleibt, hatte der PRD-Vorstand schon wenige Tage nach den Wahlen die Losung ausgegeben, dass „kein einziges Parteimitglied der Versuchung erliegen“ dürfe, bei einer Fox-Regierung mitzumischen und diesem so „das Alibi einer pluralen Regierung“ zu verschaffen.

Diese Abschottung aber stößt selbst bei radikaleren Parteiströmungen auf Unmut. Was denn wohl die intelligenteste Strategie gegenüber der Foxschen Aneignung linker Themen sei, fragt der PRD-Gründer und -Aktivist Marco Rascón entnervt: „a) sich auf den Boden werfen und herumplärren, b) darauf warten, dass er seine Versprechen bricht, oder c) dafür sorgen, dass die Versprechen eingehalten werden?“