Prinzip Hoffnung in Köpenick

Die Fernuni Hagen ist in die Jahre gekommen. Kleine Institute bringen jetzt Bewegung in den Fernunterricht. Die Anerkennung der Lehrgänge und Zertifikate bleibt allerdings ein Problem

von HOLGER KLEMM

Wer nichts wird, wird Wirt. So sprachen die Großeltern. Die Enkel wissen es besser. Sie machen ein Fernstudium. Und das lässt sich seit neuestem auch im Internet absolvieren. Bildungsministerin Edelgard Bulmahn gab Ende Juni den Startklick für die Initiative „Studieren im Netz“. Das ehrgeizige Projekt der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung (BLK) zeigt klare Ergebnisse. Es ist die erste Website, die eine komplette Übersicht über Fernstudienlehrgänge bietet.

Fernstudien sind noch relativ jung. Den Auftakt gab die Fernuniversität Hagen (FUH). Sie wurde in den 60er-Jahren ins Leben gerufen unter der Regie des damaligen Bildungsministers von Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau. Heute ist die Mutter allerr Fernunis mit 58.000 Studenten die sechstgrößte Hochschule der Bundesrepublik.

Trotzdem haftet dem Fernunterricht irgendwie ein Makel an. Offiziell heißt das: Sie ist keine Voll-Uni. Denn erstens bietet sie nicht alle Fachbereiche an, zweitens kann man sich bei einer Reihe der angebotenen Fächer nach erfolgreichem Abschluss kein Diplom an die Wand hängen. Auch sonst steckt die Fernuni Hagen nicht nur Lob ein. „Sie hat sich sehr schwer getan, anderes anzubieten als die Präsenzhochschulen“, urteilt Michael Vennemann, Leiter der Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU).

Die FUH sei noch weit davon entfernt, eine „Open-“ oder „Distance University“ zu werden, wie es sie in anderen Ländern gibt. Die britische „Open University“ setzt beispielsweise kein Abitur voraus. Und das angloamerikanische Bildungssystem ist stärker modularisiert: Die freie Auswahl von kurzen Themenblöcken ermöglicht ein außerordentlich gestrafftes Studium. Sind die großen Bildungseinrichtungen zu träge zum Wandel?

Neue Ansätze des Fernunterrichts werden oft von kleinen Instituten vorangetrieben. Zwei Berliner Einrichtungen verdeutlichen das in Inhalt und Form. Das Forum Berufsbildung e.V. besetzt mit ihren Fernlehrgängen seit den 90ern Marktnischen. Kurse wie „Kaufmann im Einzelhandel Naturkost“ und „Fahrradhandel“ gab es bis dahin nicht. Und nach 21 Monaten ist man fit für die IHK-Prüfung. Auch Existenzgründer können sich per Fernkurs fit machen für die Selbstständigkeit.

Das zweite Beispiel ist die Volkshochschule(VHS) in Köpenick. Dort war die Überlegung, dass man Fremdsprachen am besten von „Native Speakers“, von Muttersprachlern, lernt. Dazu verkuppelte Andrea Kreher, die Fachbereichsleiterin Fremdsprachen, ihre VHS mit dem Pierce College Tacoma im amerikanischen Seattle. Das Ergebnis der Liaison ist ein Kurs Business-English, der auf der Höhe der Zeit ist.

Doch wie sieht es mit der Anerkennung aus? In Köpenick regiert das Prinzip Hoffnung. „Wie der Kurs hier anerkannt wird, kann ich nicht sagen“, gesteht die Fachbereichsleiterin Kreher. „Die Anerkennung von Lehrgängen außerhalb Deutschlands ist ein gaaanz heikles Kapitel“, lässt ZFU-Leiter Vennemann wissen. Eine europäische Studienagentur, die über Abschlüsse und Anerkennung wacht, ist erst in Gründung. Nach gegenwärtigem Recht entscheidet jede Hochschule intern über eine Anerkennung.

Ein weiterer Kritikpunkt am Fernunterricht: Eine persönliche und direkte Auseinandersetzung kann er kaum bieten. Artikulation und Auftreten, wie vergleichsweise bei einem Referat, werden in keiner Weise gefördert. Der klare Vorteil der Unterrichtsform liegt hingegen in der flexiblen Arbeitszeiteinteilung.