Statistische Demonstrationslücke

PDS: Demonstrationszahl laut Polizeistatistik stark rückläufig. Innenverwaltung: Vielleicht im Herbst mehr Demos

Um die Notwendigkeit eines schärferen Demonstrationsrechts zu unterstreichen, beruft sich Innensenator Eckart Werthebach (CDU) gerne auf eine massive Zunahme der Demonstrationen. Nach Darstellung der PDS-Fraktion im Abgeordnetenhaus spricht die Polizeistatistik aber eine ganz andere Sprache.

In Wahrheit sei die Anzahl der Demonstrationen spürbar zurückgegangen, sagte gestern der Abgeordnete Marian Krüger, der sich in seiner Analyse weitgehend auf Zahlen der Innenverwaltung beruft. Während im ersten Halbjahr 1999 1.400 Demonstrationen und Kundgebungen stattgefunden hätten, seien es dieses Jahr bis einschließlich Mai erst 681 gewesen. Ferner sei es fragwürdig, auch die Demonstrationen mitzuzählen, die zwar angemeldet werden, aber nicht stattfinden. Solche „Phantomdemos“, immerhin 23 allein im März, verzerrten die Polizeistatistik, kritisiert Krüger. Des Weiteren hätten 80 Prozent der Protestzüge weniger als 200 Teilnehmer und würden somit nur einen geringen polizeilichen Aufwand verursachen. Innensenator Werthebach tritt seit einiger Zeit dafür ein, das Demonstrationsrechts um symbolträchtige Orte wie das Brandenburger Tor einzuschränken. Die Schaffung solcher befriedeter Bezirke hält Krüger nicht für gerechtfertigt. Weniger als drei Prozent der Demonstrationen hätte in diesem Jahr zur Sperrung des Brandenburger Tors geführt, sagte der PDS-Abgeordnete.

In Werthebachs Behörde weist man Krügers Argumentation zurück. „Hier werden Aussagen und Zahlen aus dem Kontext gerissen und zusammengewürfelt“, kritisiert Stefan Paris, Sprecher der Innenverwaltung. Die Belastung der Stadt durch Demonstrationen habe in den letzten Jahren nachweislich zugenommen. Der Rückgang im ersten Halbjahr 2000 sei wenig aussagekräftig, glaubt Paris: „Wer weiß denn, was im zweiten Halbjahr noch alles auf uns zukommt?“

Im Übrigen gehe es nicht in erster Linie um Zahlen. Vielmehr müsse vermieden werden, dass rechtsextreme Gruppen mit Demonstrationen und Aufmärschen den Symbolwert etwa des Brandenburger Tors missbrauchten.

FELIX WÜRTENBERGER