Weiße Weste nützt nichts, wenn das Image grau ist

Der Absatz von Ökopapier sinkt drastisch. Hersteller drohen, die Produktion einzustellen. Schuld sind irreführende Label und lieblose Aufmachung

HAMBURG taz ■ Weil der Absatz von Recyclingpapier in den letzten fünf Jahren drastisch gesunken ist, machen Umweltverbände und Wirtschaft gemeinsam mobil. Der Karstadt-Konzern wirbt mit Unterstützung des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) und des Umweltbundesamts in seinen Filialen für recycelte Schulmaterialien. „Initiative 2000. Schulmaterialien aus Recyclingpapier“ heißt die Kampagne des Naturschutzbundes (Nabu) und seiner acht Kooperationspartner. Und in Kürze will die Wirtschaft für das Papier mit dem „Blauen Engel“ werben.

Der Grund für die Aktionen: Recyclingpapier, das es Anfang der 90er-Jahre noch überall auf Schulbänken und Schreibtischen lag, wird heute kaum noch gekauft. „Die Papierhersteller sind fest entschlossen die Recyclingpapierreihen einzustellen, sollte sich nicht eine Trendwende abzeichnen“, warnt Barbara Maué vom Nabu. Laut Friederike Farsen, Umweltberaterin bei der Verbraucherzentrale NRW, hat beispielsweise die Firma Herlitz eine Sortenreduzierung angekündigt. Als Ursache für das sinkende Interesse gelten höhere Preise, das fälschlicherweise immer noch graue Image und irreführende Label. Papiere mit dem Doppellabel „Aqua pro natura“ und „Schützt den Tropenwald“ dagegen seien nicht aus Altpapier, sondern lediglich chlorfrei gebleicht.

Im Herbst 99 rief die Steinbeis Temming AG, führender Hersteller von grafischem Papier aus 100 Prozent Altpapier, die „Initiative pro Recycling Papier“ ins Leben. „Mittlerweile haben sich 12 Unternehmen aus den unterschiedlichsten Branchen der Initiative angeschlossen“, so Franz Winterer, Vorstandssprecher der Steinbeis-Temming AG. Papiergroßverbraucher und Einzelhändler wie zum Beispiel Karstadt, Quelle und Sony, wollen die rückläufige Akzeptanz der Ökoware stoppen.

Diese branchenübergreifende Interessengemeinschaft wird sich der Öffentlichkeit vorstellen, sobald das Umweltbundesamt im Sommer seine Studie „Ökobilanzen für graphische Papiere“ vorstellt. „Tendenz der Bilanz wird sein, dass Recycling-Papiere erhebliche Umweltvorteile gegenüber Frischfaserprodukten haben, also die Ressourcen mehr schonen“, so Karsten Klenner, Sprecher des Umweltbundesamtes. Immerhin wird bei der Herstellung von Recyclingpapier 50 Prozent weniger Energie und nur ein Viertel des Frischwassers verbraucht, die bei der Produktion von klassischem Papier anfallen.

Bereits auf einem Umweltforum der Steinbeis Temming AG Anfang Juli in Glückstadt machten sich die Teilnehmer für das Recyclingpapier stark. Aufgrund des wachsenden Papierverbrauchs würden nachhaltige und umweltschonende Produktionsweisen immer wichtiger, stellte Schleswig-Holsteins Umweltminister Klaus Müller fest: „Wer umweltbewusst handeln will, sollte Papier sparen und Produkte nutzen, die aus Sekundärstoffen wie Altpapier entstehen.“ Wie Müller fordern Barbara Maué und Franz Winterer, dass Politik und Wirtschaft die Werbetrommel für das Umweltprodukt rühren. Denn dieses habe mittlerweile „eine weiße Weste“ und stehe in der Qualität der Konkurrenz aus Frischfasern in nichts nach. So gibt es bereits recycelte Ware mit sehr hohem Weißgrad, die nicht mehr von der „weißen“ Produkten zu unterscheiden ist.

Auch der Karstadt-Konzern setzt sich für die geschmähte Recyclingware ein. Seit 1996 ist der Umsatz von Artikeln aus wieder verwerteten Materialien um 50 Prozent zurückgegangen. „Beim Papier lag das auch an der Aufmachung der Produkte“, erklärt Hans Mischke, Leiter der Abteilung Umwelt des Essener Konzerns, der 208 Warenhäuser umfasst. „ Es war grau, die Umschläge waren unattraktiv. Wir haben daraufhin eine neue, attraktive Serie herausgegeben und konnten seit 1999 wieder einen Zuwachs von 10 Prozent verzeichnen.“

Die Kampagne „Ökologischer Schulanfang“ von BUND, Karstadt und Umweltbundesamt richtet sich an Eltern und Schüler. Eine Broschüre, Info-Veranstaltungen an Schulen und ein Wettbewerb sollen die ABC-Schützen dazu animieren, zu umweltfreundlichen Schulsachen zu greifen. Die laufende Kampagne zeigt laut Karstadt Erfolg, Nachfrage und Interesse von Eltern und Schülern seien enorm. CAROLE POSSIG/MAIKE RADEMAKER