Proteste zum Gipfel

Okinawas Bürger nutzen den Gipfel der mächtigsten Industriestaaten plus Russland auf ihrer Insel zum Protest gegen die riesigen US-Militärbasen

OKINAWA taz ■ Trotz allem waren die Demonstranten in der Überzahl: 27.000 Friedensbewegte legten nach Angaben der japanischen Polizei gestern Hand an, um die US-Militärbasis Kadena auf Okinawa mit einer Menschenkette zu umringen. Derweil warteten 22.000 Polizisten auf die Ankunft der acht Regierungschefs aus den USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada, Großbritannien und Russland, die sich ab heute zum Weltwirtschaftsgipfel in Japans südlichster Präfektur treffen.

Bill Clinton wird mit seiner Sondermaschine ausgerechnet auf dem Militärflughafen von Kadena landen und dort eine „Ansprache an das Volk von Okinawa“ halten. Die Demonstranten um die Militärbasis forderten dagegen einen Abzug der 27.000 auf Okinawa stationierten US-Soldaten. Für die gilt während des Gipfels Alkoholverbot.

Bundeskanzler Gerhard Schröder traf gestern als erster G-8-Teilnehmer auf Okinawa ein und ließ sich im Strandhotel Nikko Alivila nieder, um am Abend den Seeblick im Kreis von Journalisten zu genießen. Eulen schwirrten durch die Pazifikluft, während draußen im Meer Militärfregatten ihre Kreise um die Gipfelstätten zogen.

Berlin will sich auf dem diesjährigen Gipfel ganz hinter die Nichtregierungsorganisationen (NGOs) stellen, die seit Jahren einen Schuldenerlass für die ärmsten Länder fordern. Diese Forderung steht für den Kanzler auf Okinawa angeblich an erster Stelle. Schließlich hätte die rot-grüne Bundesregierung die Entschuldungsfrage vor einem Jahr beim Gipfel in Köln durchgepaukt, und nun müsse man darauf achten, dass die Ergebnisse eingefahren werden. Dabei sei es nur gut, dass diesmal Tony Blair das Dritte-Welt-Thema in der Achterrunde einführen werde. Überhaupt scheint der Kanzler hierin ein Beispiel zu sehen, wie Weltpolitik heute funktioniert: Zunächst als Forderung der NGOs, dann als vage Absichtserklärung westlicher Regierungen und schließlich als harter Beschluss der G 8. Hört man den Deutschen zu, müsste man glauben, auf Okinawa wären nur die Ärmsten vertreten. Dabei treffen sich nur die Reichen plus Russland.

Der russische Präsident Putin aber könnte der Star von Okinawa werden. Man will ihn dort gleichberechtigt empfangen, wie man das in Köln beschloss. Schröder wird Putin in der Runde vorstellen – mit einem Referat über die jüngsten Erfolge russischer Politik, in dem viel von der wiedererlangten Handlungsfähigkeit Moskaus und wenig von Tschetschenien die Rede sein wird. Danach treffen sich beide zum Frühstück – Schröders einzige bilaterale Verabredung am Rande des Gipfels.

Weitere Themen auf Okinawa sind: Informationstechnologie für die Dritte Welt, Plutoniumentsorgung für Russland und Sorgen um Milošević.Georg Blume