Weißer Schnee und rosa Wolken

Mit der Guzzi auf Jück: In Dida Zendes East-Remake von „Easy Rider“ zieht es zwei sehnsuchtsvolle Motorradhelden von Ostberlin ans Nordkap

Wyatt und Bill sind nicht totzukriegen. Selbst Beamte vom Bundesamt für Straßenwesen sind in einer Untersuchung über jugendliche Verkehrsteilnehmer auf sie gestoßen. Das Amt spricht von einer ostdeutschen Risikogruppe „Easy Rider“. Weiter heißt es: „Die Gruppe der ‚Easy Rider‘ (14 % der untersuchten ostdeutschen Jugendlichen) nimmt eine betont ablehnende Haltung gegenüber der Erwachsenenwelt ein. 92 % der ‚Easy Rider‘ sind männlich. Alkoholgenuss und Fahrverhalten entsprechen dem Selbstbild des ‚Machos‘. ‚Easy Rider‘ sind stark unfallgefährdet.“

Klar, dass es da auch De und Pe auf ihrer Moto Guzzi mit Beiwagen erwischen wird. Der „Wandertag“ von Dida Zende ist die ostdeutsche Wildwest-Variante von Dennis Hoppers 1969 gedrehtem Kultfilm. Erst mal wird mit den Rollheimerfreunden am Ostrand Berlins gekokst, was in die Nase geht, und gesoffen, was die Leber zulässt, dann wird ein brauner Lederkoffer voll Kokain gegen einen Plastikbeutel voll Knete getauscht und schließlich der Ableger einer Love Parade auf der grünen Wiese angepeilt. Da geht es natürlich so richtig ab wie einst auf dem Mardi-Gras-Festival für Wyatt und Bill. Mit „Born to be wild“ im Fernlicht-Remix, „weißem Schnee“ aus dem Honigglas, Musik zur Gitarre („Love hurts“), Techno zu rosa Wolken am Horizont, spacigen Cocktails aus Plexiglasdosen und Girls, Crime und Sex!

Der Künstler Dida Zende, der wie weiland Hopper eine der Hauptrollen in seinem ersten Film übernommen hat, und sein Kumpel De geben dabei weniger die lederbefransten Rocker als Typen von Buck-Format, die mit Jeans und Parka halt irgendwann mit der Zeit stehengeblieben sind.

Egal ob in Ostberlin oder an der polnischen Grenze: Amerikanische Peanuts werden im Lagerfeuer verbrannt oder mit dem Reifen zermahlen. Der amerikanische Traum verpufft einfach in einem aufblasbaren Stars-and-Stripes-Basecap. Pe und De scheißen nämlich im wörtlichen Sinn auf die USA. Sie wollen ans Nordkap, die Mitternachtssonne putzen. „Die Natur hat das Schlafen eingestellt“, liest Pe nach ihrem vorletzten Rausch in einer Zeitung, mit der er sich morgens den Po abwischt: „Eh, das isses!“ Oben im Norden soll die Freiheit grenzenlos sein.

Dass die beiden nie am Kap ankommen werden, ist ja klar. Bleibt nur die Frage, welcher ostdeutsche Bauer sie von ihrem Bock knallt. Denn eigentlich lässt sich die Weiterfahrt erst mal gut an. Der nette Mann von unterwegs vernascht erst seine Sarah auf dem Küchentisch, serviert sie Pe und De dann abends als Bauchtänzerin und reicht dazu zwei nette Freundinnen von nebenan. Auch die Kellnerin vom Dorfcafé kann eigentlich nichts Schlechtes an den zwei Motorradhelden finden. Nur die Raver mit Dr. Motte im Tapedeck können nicht verknusen, dass die Jungs sie auf einer steinalten Moto Guzzi abhägen wollen: „Die putzen wir weg!“

Womit das Bundesamt in seiner Straßenmacho-Definition bestätigt wäre. Insofern könnte der Film denn auch getrost „Easty Rider“ heißen. Aber Zendes Remake hat nur insofern etwas mit der Verkehrsrealität gemein, als es seinem Freund gewidmet ist, der vor zwei Jahren bei einem Motorradunfall ums Leben kam.

Der Rest vom „Wandertag“ ist Witz, Kunst und Goethe. Der hat neben den Vermoosten Vløten und Frauke-Marie als Sängerin das letzte Wort: „Die Vöglein schweigen im Walde, / Warte nur, balde / Ruhest du auch.“

PETRA WELZEL

Premiere heute, 22 Uhr, im Bastard, Prater, Kastanienallee 7–9, Prenzlauer Berg