Beweise dringend gesucht

Weil sie bei einer Anti-Haider-Demo an einem Berliner Absperrgitter gerüttelt haben sollen, bescherte die Staatsanwaltschaft zwei Göttingern eine Hausdurchsuchung. Einen Computer nahmen sie mit

von DIRK HEMPEL

Die Berliner Staatsanwaltschaft verfolgt Gegner des österreichischen Rechtsaußen Jörg Haider bis nach Göttingen. In der niedersächsischen Stadt durchsuchte die Polizei am Donnerstag die Wohnungen eines 26- und eines 31-Jährigen.

Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, am 6. Februar bei einer Protestdemonstration gegen einen Talkshow-Auftritt des extrem rechten Politikers „am Absperrgitter gerüttelt und gezogen zu haben“. Das ist nach Ansicht der Staatsanwaltschaft ein Fall von Landfriedensbruch, auch wenn es am fraglichen Absperrgitter weder Sachschäden noch Körperverletzungen gegeben hat.

Bisher einziges Indiz für das schwere Delikt: ein am Folgetag in der Bild-Zeitung veröffentlichtes Foto der Protestaktion. Darauf hält einer der beiden Göttinger ein Absperrgitter fest, der zweite Beschuldigte steht unbeteiligt daneben. Für einen Richter am Göttinger Amtsgericht war das ausreichend. Er stimmte der Durchsuchung zu, und die Beamten rückten aus – auf der Suche nach weiteren Beweisstücken. Zwei Mützen, einen Pullover und einen Computer erbeutete die Göttinger Polizei im Zuge ihrer Amtshilfe für die Berliner Kollegen. Die Verdächtigen wurden außerdem erkennungsdienstlich behandelt.

Offensichtlich gehe es den Ermittlungsbehörden nicht um die Verfolgung eines einzelnen Delikts, sondern um „Einschüchterung von Antifaschisten und die Sammlung von Informationen“, kritisierte der 31-jährige Miguel Z., einer der Beschuldigten, im Gespräch mit der taz. Er und der zweite Betroffene seien „langjährig aktive Antifaschisten“.

Ein mutmaßliches Beweisstück hat die Göttinger Polizei am Wochenende sogar schon wieder herausgerückt: den beschlagnahmten Computer. Vorher allerdings ging eine Kopie der Festplatte an die Ermittlungsbehörden nach Berlin – auch wenn sie eher wenig dazu beitragen dürfte, den Beschuldigten das Rütteln an einem Gitter nachzuweisen.

Nach Einschätzung des Berliner Rechtsanwalts Volker Ratzmann ist eine solche Beschlagnahmeaktion mittlerweile gängige Praxis der Justiz: „Zunächst wird einfach alles mitgenommen und dann nach Sichtung der Materialien ein ganz anderer Vorwurf formuliert“, sagte der Jurist zur taz.

Z. kennt diesen Übereifer der Berliner Staatsanwaltschaft bereits. Weil er im Juni 1998 bei einer Hausdurchsuchung in Mitte angetroffen wurde, beantragte die hiesige Staatsanwaltschaft schon einmal eine Polizeiaktion in Z.s Göttinger Wohnung. Rechtswidrig, wie ein Göttinger Richter später befand. Denn Z. war damals lediglich Zeuge.