Die dreifache Menge der „Pallas“

Drittgrößter Ölunfall im Hamburger Hafen mit glimpflichen Folgen
 ■ Von Gernot Knödler

Welche Gewalt das Wasser hat: Wie mit einem gigantischen Hammer eingeschlagen stecken zwei Holzpfähle hinter der Bordwand des Binnen-Öltankers „Lübbecke“. Das einen halben Zentimeter dicke Deck ist eingedrückt und gibt den Blick in den Laderaum frei. Mehr als eine Million Mark wird es kosten, das Schiff wieder herzurichten, schätzen Mitarbeiter der Umweltbehörde. Eine weitere Viertelmillion wird die Beseitigung des ausgelaufenen Öls kosten.

Das Schiff hatte sich am Sonnabend bei auflaufender Flut unter zwei Reibepfählen verhakt, an denen es scheuern kann, wenn es am Kai liegt. Normalerweise reichen diese Pfähle bis unter den Wasserspiegel, am Samstagmorgen jedoch war bei Ebbe so wenig Wasser im Blumensandhafen, dass das untere Ende der Pfähle frei lag. Als die Flut kam, rutschte die Bordwand des Tankers hinter zwei Pfähle. Das rasch steigende Wasser drückte das Deck gegen die Bongossi-Balken, die die Schiffshülle wie ein Dosenöffner knackten und den Tanker mit dem Heck voran unter Wasser drückten.

Der Kapitän bemerkte zwar die sich anbahnende Katastrophe und rief Hilfe herbei. „Der Schlepper kam einen Tick zu spät“, erzählt Dirk-Uwe Spengler von der Rufbereitschaft der Umweltbehörde. Durch die Entlüftungen der Öltanks lief das erste Wasser in den Schiffsrumpf, kurze Zeit darauf durch das Leck an Deck. Der Tanker sank.

Am Sonntag ist dem Binnenschiff seine Havarie kaum mehr anzusehen. Es liegt am Rethe-Ufer und glänzt wieder wie neu. Nur das Leck und ein verbogenes Geländer zeugen davon, dass es einmal auf dem Grund des Hafens lag.

Einige hundert Meter weiter süd-östlich, im Blumensand-Hafen, dem Ort des Unfalls, stinkt es wie im Heizungskeller, wenn gerade Öl geliefert worden ist. Eine gelbe, aufblasbare Ölsperre liegt zu beiden Seiten des Piers im Wasser. Hinter der Sperre dümpeln flache Kähne mit THW-Männern in weißen Overalls. Mit Hilfe einer Maschine ziehen sie eine flauschige weiße Kordel durch das Wasser, die das Öl von der Wasseroberfläche aufnimmt. Beim Durchlaufen der Maschine wird das Öl entfernt. Die Kordel kann in einem unendlichen Kreislauf wieder und wieder durchs Wasser gezogen werden.

250 der insgesamt 1400 Tonnen Öl, die die „Lübbecke“ geladen hatte, sind im Wasser gelandet. „Das entspricht dem Drei- bis Vierfachen der Pallas“, sagt Michael Pollmann, der Staatsrat der Umweltbehörde. Trotzdem sind die Folgen weniger gravierend. Denn die Lübbecke hatte leichtes Heizöl geladen, von dem ein großer Teil verdunstet, während aus der Pallas schweres Heizöl ausgetreten war, das Steine, Tiere und Pflanzen verklebt.

Während die Pallas in stürmischer See havarierte, ist die Wasserfläche des Blumensand-Hafens derzeit kaum gekräuselt – ideale Bedingungen, um die Folgen des drittgrößten Ölunfalls der letzten Jahrzehnte im Hamburger Hafen zu bekämpfen. Die Umweltbehörde hat dazu alles verfügbare Gerät zusammengezogen. „Bei großen Unfällen setzen wir alle Techniken zugleich ein“, sagt Spengler. Das Öl wird nicht nur mit der Kordel aufgenommen, sondern auch abgesaugt und abgeschält: Kleine Blechkähne, die aussehen wie Schlauchboote mit offenem Bug, fahren so durch das Hafenbecken, dass das oben schwimmende Öl ins Boot läuft und das Wasser drunter weg fließt.

Die beiden anderen großen Ölunfälle im Hamburger Hafen ereigneten sich vor fast zwanzig Jahren: 1981 verlor die „Afran Zenith“ 200 Tonnen schweres Heizöl. Im Jahr darauf flossen aus der „Ondina“ zweihundert Tonnen getopptes Rohöl, eine klebrige Substanz, aus der alle flüchtigen Stoffe entfernt wurden. Das Öl der „Afran Zenith“ zu beseitigen, kostete damals 6,5 Millionen Mark – „mein Gesellenstück“, erinnert sich der Ölunfall-Experte Spengler. Die Folgen der Ondina-Havarie kosteten mehr als 20 Millionen.