Karikaturist und Extremist

Der Führer der hinduistischen „Armee Shivajis“, Bal Thackeray, fürchtet nichts – außer Handschellen

Als Bal Thackeray vor drei Jahren 70 wurde, brachte die Times of India eine achtseitige Beilage heraus. Zwischen seinen Zeichnungen – Thackeray ist von Beruf Karikaturist – meldete sich Indiens Elite mit einer Hommage. Knapp ein Jahr zuvor hatte die Wochenzeitung Samna – Chefredakteur Bal Thackeray – die Anhänger der hinduextremistischen Shiv-Sena-Partei zur Jagd auf einen Journalisten aufgefordert. Nikhil Wagle wurde krankenhausreif geschlagen.

Dies war auf dem Höhepunkt von Thackerays Macht 1996. Die Shiv Sena – die „Armee Shivajis“, eines legendären Königs der Mahratten – war ein Jahr zuvor in Maharashtra, Indiens reichstem Bundesstaat, an die Macht gekommen. Der Journalist hatte gewagt, die Shiv-Sena-Regierung zu fragen, was sie zu einem Justizbericht zu sagen habe, der Thackeray als Anstifter des Pogroms gegen Muslime identifiziert hatte.

Als am 8. Januar 1993 in Bombay ganze Viertel brannten, führte Thackeray Besucher auf die Dachterrasse seines Hauses, von dem aus man die brennenden Holzlager im Mahim-Quartier beobachten konnte. Auf die Frage, ob Shiv Sena dafür verantwortlich sei, meinte er, seine „Boys“ hätten Besseres zu tun. Seine Gegner bezeichneten ihn fortan als „indischen Hitler“.

Thackeray selbst fühlt sich über den Vergleich geschmeichelt, doch er passt nicht. Zwar gab es in seinem politischen Aufstieg Parallelen zum Mann aus Braunau: Seine Shiv Sena wurde als Schlägertrupp gegründet und von Industriellen finanziert, um die Gewerkschaften aus Bombays Textilfabriken zu vertreiben. Doch Thackeray fehlt den rabiaten und rassistischen Methoden zum Trotz eine faschistische Ideologie. Als sich die Attacken auf Südinder und Gujeraten verbraucht hatten, nahm er diese unter seine Fittiche und fand einen neuen Gegner – den Muslim. Gegen den suchte er jederzeit und überall Hindu-Indien zu verteidigen. Doch wenn es ihm belieben würde, einen neuen Feind auszumachen, wären auch Muslime plötzlich seine „Boys“.

Thackeray verachtet Politiker und demokratische Normen. Seine Unberechenbarkeit verlieh ihm einen Kultstatus, der ihn bisher vor Strafverfolgung schützte, trotz Wahlniederlage der Shiv Sena vor einem Jahr. Nun hat ihm Chagan Bhujpal, der starke Mann in der Kongress-Koalition von Bombay, eine Falle gestellt. Er wusste, dass die Shiv-Sena-Regierung von 16 Anklagepunkten aus Unachtsamkeit nur 14 gestrichen hatte. Thackeray droht die Verhaftung. Da er panische Angst vor dem Gefängnis hat, droht Thackeray nun seinerseits, ganz Indien in ein Blutbad zu tauchen, sollte die Polizei Hand an ihn legen. BERNARD IMHASLY