Indiskrete Lobbyarbeit: Bahner machen Druck

DB AG will den Netzausbau für drei Jahre stoppen: Die Schienenstrecken seien in desolatem Zustand. Deshalb hätten Bestandsinvestitionen Vorrang

BERLIN taz ■ „Und was lesen Sie auf der Fahrt in den Urlaub?“, fragt die Bahn auf ihren aktuellen Plakaten. Der Werbetext ist zusammengepuzzelt aus Autokennzeichen. Am liebsten wäre es dem Bahn-Management wohl, man läse die aktuellen Berichte über das Unternehmen.

Aus kaum einem Konzern lassen sich so oft Indiskretionen vernehmen, kommen so viele „interne Papiere“ in die Zeitung. Meist geht es um Probleme aufgrund mangelnder Bundeszuschüsse. So auch die jüngste Meldung, mit der das Handelsblatt gestern aufmachte. Die Bahn werde für drei Jahre den Netzausbau stoppen, heißt es da. Grund: der „schlechte Zustand“ der Schienen. Das Geld solle stattdessen in das „Bestandsnetz“ gehen, womit zwei Drittel des 40.000 Kilometer langen Bahnnetzes gemeint sind. Die Bahn arbeite außerdem an einer „umfangreichen Liste“ mit aufzuschiebenden Projekten.

Bahnsprecher Dirk Große-Leege bestätigte gestern das Grundproblem: „Wir müssen sparen und haben großen Nachholbedarf beim Erhalt der bestehenden Strecken.“ Pro Jahr fehlten zwei Milliarden Mark, Langsamfahrstellen und Baustellen führten zu Verspätungen. Details wollte er nicht nennen.

Ob Absicht oder nicht: Gleich in der ersten Sitzungswoche nach der Sommerpause Anfang September wird der Haushalt für 2001 im Bundestag beraten. Die Grünen haben angekündigt, sie wollten der Bahn mehr als die bislang geplanten 6,9 Milliarden Mark zukommen lassen. Immerhin sind entgegen der Koalitionsvereinbarung (Gleichberechtigung für Straße und Schiene) für das Auto 1,3 Milliarden mehr Investitionsmittel vorgesehen. Direkt nach der Bahnreform waren der Bahn AG jährlich neun Milliarden Mark in Aussicht gestellt worden. Kurios: Einerseits muss der Bahn an einem Positivimage gelegen sein, um die Kunden zu locken. Andererseits darf die Situation nicht zu rosig dargestellt werden, um noch Haushaltsmittel herauszukitzeln und die Schlechterbehandlung gegenüber dem Auto zu beenden. So wird es Bahnchef Hartmut Mehdorn freuen, wenn die Urlauber zwar in der Bahn lesen, aber über die Bahn nichts allzu Gutes. urb