Zentralafrikas Benzindieb

Die Regierung von Laurent Kabila im Kongo „requiriert“ die über ihr Land laufenden Benzinimporte der Nachbarländer für die Kriegsfront. Nun steckt die Zentralafrikanische Republik in der Krise

aus Bangui FRANÇOIS MISSER

Lange Schlagen vor den Tankstellen und eine erstarrte Wirtschaft: Seit fast zwei Monaten leidet die Zentralafrikanische Republik an extremer Benzinknappheit. Auch Kongo-Brazzaville ist betroffen.

Ursprung der Krise ist die Misswirtschaft der Regierung der Demokratischen Republik Kongo unter Präsident Laurent Kabila. Denn Kongos Hauptstadt Kinshasa ist das Nadelöhr für Treibstoff der Region. Zwar liegt der wichtigste Ölhafen der Region, Pointe-Noire, in Kongo-Brazzaville, aber seitdem die Eisenbahnlinie von Pointe-Noire nach Brazzaville in den Bürgerkriegen von 1997–99 zerstört wurde, kann Benzin nur noch über die Demokratische Republik Kongo geliefert werden, wo die Eisenbahn vom Atlantikhafen Matadi nach Kinshasa noch funktioniert und danach der Kongo-Fluss und seine Nebenflüsse als Transportwege dienen.

Aber was in Kinshasa an Benzin ankommt, geht an Kabilas Kriegsfront. Darunter leiden auch die Bewohner Kinshasas: Wer dort noch Arbeit hat, muss oft 10 bis 15 Kilometer zur Arbeit ins Stadtzentrum zu Fuß gehen, weil der öffentliche Nahvekehr zu teuer ist oder wegen Benzinmangels ruht.

Ende Mai requirierte die Regierung Kabila einen für die Zentralafrikanische Republik bestimmten Lagerbestand von 25.000 Kubikmeter Benzin in Kinshasa. Seitdem sitzt die Zentralafrikanische Republik auf dem Trockenen. Die dortige staatliche Ölgesellschaft Petroca schulde der des Kongo 600.000 Dollar, gab Kabilas Ölminister Pierre-Victor Mpoyo als Begründung an. Unverblümter soll sich nach Angaben zentralafrikanischer Diplomaten Kongos Innenminister Gaetan Kakudji geäußert haben: Die Zentralafrikanische Republik gebe doch „immer“ Benzin ab, wenn Kinshasa welches brauche. Das bestreitet die zentralafrikanische Regierung und wirft der Regierung des Kongo vor, das Benzin für ihren Krieg abgezweigt zu haben.

Nach der Zentralafrikanischen Republik verlor auch Kongo-Brazzaville seine Benzinvorräte in Kinshasa. Die Regierung in Brazzaville begann nun, aus dem Ölhafen Pointe-Noire Benzin im Flugzeug in die Hauptstadt zu fliegen, was sehr teuer ist, und klagt über eine „Blockade“ ihres Landes. Der Handelsverkehr entlang der Kongo- und Ubangi-Flüsse, die die Grenze zwischen der Demokratischen Republik Kongo und Kongo-Brazzaville bilden, ist eingestellt, seit Kabilas Armee auf diesen Flüssen eine Offensive gegen die Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) führt, die den Norden des Landes beherrscht. Weil die MLC, deren Herrschaftsgebiet an die Zentralafrikanische Republik grenzt, sich bisher aus der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui mit Benzin versorgte, wird in Bangui vermutet, dass Kabilas Blockade eigentlich die MLC treffen soll.

Am schwersten getroffen ist aber die Zentralafrikanische Republik selber. Benzin ist rationiert, Fernhandel ist nicht mehr möglich, sogar die nationale Fußballmeisterschaft musste ausfallen, weil Spieler und Fans nicht transportiert werden können. Die Regierung hat kein Geld mehr, denn die staatliche Benzingesellschaft Petroca ist eine ihrer wichtigsten Finanzquellen.

Regierungsnahe Kreise in Bangui spekulieren, schuld an der Blockade sei neben Kabila die französische Ölfirma Elf, die erzwingen wolle, dass sie bei der anstehenden Privatisierung des Petroca-Tankstellennetzwerkes den Zuschlag erhält. In Kamerun, wo Elf sehr mächtig ist, liegen nämlich auch seit Wochen für die Zentralafrikanische Republik bestimmte Benzinvorräte fest. Sie kommen aus Libyen, dessen Führer Muammar al-Gaddafi – ein Freund Kabilas – der Zentralafrikanischen Republik letzten Monat versprach, ihr 55.000 Tonnen Benzin zu schenken.

Libyen lieferte tatsächlich 5.000 Tonnen Benzin nach Kamerun, und Anfang Juli wurde eine erste Flugladung davon nach Bangui geschickt. Als die zentralafrikanische Regierung dann das Flugbenzin nicht bezahlte, hörten die Lieferungen aber wieder auf. Erst letzte Woche kamen schließlich acht Tankwagen voll Benzin über unwegsame Urwaldstraßen aus Kamerun nach Bangui. Aber angeblich wird ein Großteil des teuren Treibstoffs gleich wieder abgezweigt und zu Wucherpreisen in der Provinz verkauft.