Barak bedroht

Ultranationalisten wünschen Israels Premier den Tod. Doch selbst begehen wollen sie den Mord angeblich nicht

BERLIN taz ■ Israels Polizei ermittelt gegen Mitglieder der ultranationalistischen Kach-Bewegung. Der Anlass: Sie hatte in einem Interview des israelischen Fernsehsenders Channel 2 News indirekt zur Ermordung von Premierminister Ehud Barak aufgerufen, sollte der auch nur einen weiteren Fußbreit des Heiligen Landes an die Palästinenser abtreten. Die Drohung erinnert an das Schicksal des im Herbst 1995 ermordeten Premiers Jitzhak Rabin.

Barak werde jedoch nicht direkt von Mitgliedern seiner Gruppe getötet werden, erklärte ein Kach-Aktivist dem Sender, ebenso wenig wie dies bei Rabin der Fall gewesen sei: „Ich habe Rabin nicht getötet, auch keiner meiner Freunde hat Rabin getötet. Die Person, die Rabin getötet hat, war Rabin selbst.“

Tatsächlich war Rabin von dem jugendlichen Fanatiker Jigal Amir erschossen worden – mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Einzeltäter. Freilich hatten damals organisierte Nationalisten, allen voran Siedler, erst das Klima geschaffen, das den Mord ermöglichte.

Dass heute Aktivisten einer offiziell verbotenen Organisation offen in israelischen Medien auftreten können, zeigt, dass sich seither die Atmosphäre noch verschärft hat. Das gilt allerdings auch für die Sicherheitsvorkehrungen für Ministerpräsidenten. Rabin wurde auch zum Verhängnis, dass sich keiner seiner Bewacher – ebenso wie die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung – wirklich vorstellen konnte, dass ein Israeli einen israelischen Regierungschef ermorden könnte. Das ist heute anders.

Kein Zweifel: Barak lebt gefährlich, gefährlicher noch als die meisten anderen Politiker im Nahen Osten. Und schon für die wäre eine Bad in der Menge der eigenen Bevölkerung lebensgefährlich. Seine Verhandlungen mit Arafat brachten seinen Namen bei einigen Ultranationalisten auf die Abschussliste. Doch das ist schon seit Monaten so. Ebenso lange erhält er Morddrohungen, nur dass die meisten nicht publik gemacht werden, schon um die Stimmung in der zwischen Friedensbefürwortern und Friedensgegnern gespaltenen Bevölkerung nicht weiter aufzuputschen.

Dass nun ausgerechnet eine einzelne Morddrohung publik wird, wärend sich die palästinensisch-israelischen Verhandlungen in Camp David hinschleppen, könnte auch eine taktische Komponente haben. In jedem Fall nützt sie Barak. Innenpolitisch, weil es sein Lager weiter zusammenschweißt. Und vor allem gegenüber den Palästinensern. Einem Verhandlungspartner, der durch seine Zugeständnisse sogar sein Leben riskiert, wird man schwerlich noch viel mehr abtrotzen können. Zynismus ist in der Politik ein häufig genutztes Mittel.

Verschwörungstheorie oder nicht, profitiert haben von der Drohung in jedem Fall die Medien. Seit mehr als zwei Wochen sitzen ihre Korrespondenten Kilometer vom Verhandlungsort entfernt im Pressezentrum. Durch ein völliges Nachrichtenembargo abgeschirmt sollen sie dennoch beständig Nachrichten produzieren. Ein Mordaufruf kommt da gerade recht.

THOMAS DREGER