Ein Luxuszimmer in der Vorhölle

Der mutmaßliche Reemtsma-Entführer Thomas Drach soll in dem trostlosen argentinischen Gefängnis Caseros viele Vorteile genießen. Nächste Woche wird der 40-Jährige wahrscheinlich an Deutschland ausgeliefert. Kripo-Beamte holen ihn ab

aus Buenos Aires INGO MALCHER

Das Gefängnis von Caseros zählt nicht gerade zu den besten Adressen der Stadt. Der grau-braune Klotz passt in das Stadtbild wie eine Betonbrücke in ein deutsches Odenwalddorf. Die Wasserleitungen lecken, Wasser rinnt vom fünften Stock ins Freie. Hinter den Gittern die Gesichter der Gefangenen – manche von ihnen sitzen hier schon seit drei Jahren ohne Gerichtsurteil. Wer vom sechsten in den siebten Stock wechseln will, der zwängt sich durch die Gitter ins Freie und hangelt sich außen nach oben, ehe er sich wieder durch die Gitter hineinquetscht.

In Caseros herrscht Chaos pur. Der Knast ist vollkommen überbelegt. Besucher, die sich der stählernen Pforte nähern, werden von Gefangenen schon mal mit Ziegelsteinen beworfen. Hinter den Gefängnismauern stehen Angehörige und werfen ihren einsitzenden Verwandten Essenspakete zu. Ohne Hilfe von außen ist der Knastalltag unerträglich.

Seit zwei Jahren sitzt hier auch der mutmaßliche Entführer des Hamburger Sozialforschers, Mäzens und Multimillionärs Jan Philipp Reemtsma ein. Der argentinische Präsident Fernando de la Rúa hat vergangene Woche die Auslieferung angeordnet. Anfang nächster Woche soll Thomas Drach (40) in Hamburg eintreffen. Gestern Abend sind je zwei Beamte des Landes- und des Bundeskriminalamtes nach Buenos Aires geflogen, um Drach abzuholen. Caseros gleicht von außen zwar der Vorhölle, doch für Gefangene mit genügend Kleingeld muss das Leben dort nicht anstrengend sein.

Das gilt wohl auch für Drach. Wegen Fluchtgefahr und um ihn vor den anderen Mitgefangenen zu schützen, wurde er in einem Sondertrakt untergebracht. Nach Angaben deutscher Ermittler soll Drach in einem Einzelzimmer mit eigener Kochnische untergebracht sein. Er verfüge über eine Zelle von 33 Quadratmetern. An Annehmlichkeiten fehlt es ihm nicht. So habe er ein Ehebett und soll sogar einen Computer mit Internetzugang haben. Nur ganz billig soll die Luxuszelle nicht sein. Rechtsanwälte, die in Caseros ein und aus gehen, schätzen, dass Drach mindestens 6.000 bis 10.000 Mark im Monat dafür bezahlen muss.

Recht viel für den scheuen Mann, der bei seiner Gerichtsverhandlung angab, arbeitslos zu sein und mit der Entführung von Reemtsma nichts zu tun habe. Sein Anwalt Osvaldo Peña Alvarez bestreitet, dass Drach im VIP-Trakt des Gefängnisses einsitzt: „Nur weil er Drach ist, hat er kein Privileg“, sagt er. Doch das ist Teil der Strategie. Um nach einer Verurteilung durch ein deutsches Gericht baldmöglichst wieder auf freien Fuß zu kommen, pokert Drach damit, sich in Deutschland über die harten Haftbedingungen in Argentinien auszulassen, um mehr Haftjahre angerechnet zu bekommen. Seine Anwälte Peña Alvarez und Stinfale sind nicht unbedingt als Kenner des Justizsystems bekannt, meinen Kollegen. Stinfale hat sein Staatsexamen in Jura im Gefängnis gemacht – als Gefangener. Mit ihrem Mandanten Thomas Drach haben die beiden den Jackpot geknackt. In Buenos Aires gehen Gerüchte um, wonach Drach den beiden 100.000 Dollar im Monat bezahlen soll. Peña Alvarez will dies weder bestätigen noch verneinen, versichert aber: „Er hat Geld, das haben wir geprüft.“