Haltloses Mitsingen kompositorischer Verirrungen

■ Das 7. Hamburger Rock Revival Festival im Logo lockt an kalten Abenden mit Coverbands ohne Ende

Der Sommer quält sich ganz langsam in die Stadt, Sonnenstrahl für Sonnenstrahl drängt er sich den Hamburgerinnen und Hamburgern auf. Wer es nicht geschafft hat, die Stadt rechtzeitig zu verlassen und gerne Konzerte populärer Musik besucht, quält sich auch. Zum Beispiel ins Logo.

Dort findet in diesen Tagen das 7. Hamburger Rock Revival Festival statt. Cover-Bands ohne Ende spielen die HitHits der Heroen der 70er und 80er Jahre nach und lassen dabei in erster Linie die Gitarren qualmen. Ob Jump die flinken Finger von Eddie van Halen fingieren oder Clearwater die größten Erfolge von Creedence Clearwater Revival (Revival!, Revival!!, Revival!!!) imitieren oder Pfefferminz das Stück „Mit Pfefferminz bin ich Dein Prinz“ von Marius Müller Westernhagen – dem Westernhagen der noch nicht durch „Freiheit“, Stadionauftritte und Werbekampagnen versaut war, der noch echt war, der in seinem Revier tatsächlich noch heimisch war – nachspielen: Jedes Stück hat seinen Wiedererkennungseffekt und animiert zum Singen und Tanzen.

Widerlich, künstlerisch ohne jede Originalität, denkt sich da der Kulturkritiker und erst recht der Kulturpessimist, und im übervollen Logo ist es ohnehin wieder einmal viel zu heiß. Bis, ja, bis er umkippt.

Bis er sich in der ersten Reihe wiederfindet. Bis plötzlich regellose, plötzliche Bewegungen der Arme und Beine, grimassierende Gesichter, Zappeligkeit, kurz: alle Symptome des Veitstanzes auftreten. Der Schweiß fließt in Strömen, der Flüssigkeitsverlust wird mit erhöhtem Bierkonsum kompensiert, am Ende steht das haltlose Mitsingen von Stücken, die bei klarem Bewusstsein als kompositorische Verirrungen gegeißelt würden.

Verstört hält der Kulturkritiker und erst recht der Kulturpessimist inne. Darf das sein? Vergnügen vor der Bühne? Ausgelassene Stimmung? Regression in pubertäre und vorpubertäre Verhaltensmuster? Keine Angst, Kollege, Kollegen sind heute Abend bestimmt nichte im Logo, lass den Scheiß raus.

Und wenn Du doch einen siehst: Stell Dich ganz selbstbewusst neben ihn, starre ihn an, sage nichts. Irgendwann knickt er ein: „Ich bin nur mit meiner kleinen Cousine hier und von wegen Gästeliste mu-sste ich mit, schrecklich heiß hier, ich schwitze schon im Stehen wie ein Stier...“ Schau ihn ein wenig hochmütig und ein wenig mitleidig an und sage: „Och, mir gefällts hier. Ist doch auch mal wieder schön, Stimmung und so. Ist doch Sommer und nur zum Spaß hier rein gehen ist schon okay.“ Bring ihm ein Bier, er wird es dir danken. Unterhaltet euch kurz über mangelnde schöpferische Kreativität, erinnert euch gegenseitig daran, wann ihr die letzte Schalplatte mit Gitarrensolo gekauft habt und werft euch mit dem Schrei „Endlich wieder Pogo tanzen“ wieder ins Getümmel. Ab jetzt seid ihr Freunde, weil euch etwas Echtes verbindet.

(Nota Bene: Diese Strategie funktioniert ausschließlich bei männlichen Kollegen. Weibliche sind ohnehin stärkere Menschen und suchen solche Veranstaltungen nicht auf.)

Der Sommer quält sich ganz langsam in die Stadt, Sonnenstrahl für Sonnenstrahl drängt er sich den Hamburgerinnen und Hamburgern auf. Doch die Abende sind kalt, immer noch sehr kalt. Aber es gibt einen Platz im Hamburg, wo es abends warm, sehr warm ist. Das Logo und sein 7. Hamburger Rock Revival Festival mit den ewig gleichen Bands lässt einen nicht erfrieren. Eberhard Spohd

Das 7. Hamburger Rock Revival Festival: Donnerstag, Titty Twister (Tito und Tarantula), Freitag, Pfefferminz (M. M. Westernhagen); Samstag, Beatles 2000 (Beatles); Sonntag, Jump (Van Halen) und Rekkless (Hard Rock Cover); Montag, Electric El (Judas Priest); Dienstag, Clearwater (Creedence Clearwater Revival); Mittwoch, Showcase und Lake Tahoe (Modern Rock Revival); alle Konzerte 21 Uhr, Logo. wird fortgesetzt bis zum 12. August, unter anderem mit Die Toten Ärzte, Sticky Fingers, Quo und Bon Scott