Bach ohne Michelsbrot

Pech für Gruft-LiebhaberInnen: Der 250. Todestag Johann Sebastian Bachs wird in der Hauptkirche St. Michaelis zelebriert  ■ Von Sven Tietgen

„Das ist schon eine Hamburger Tradition, dass man die Leute nicht in der Stadt halten kann.“ Pastor Christian Rüss von St. Michaelis spricht nicht vom HSV-Torwart Butt, er meint Johann Sebastian Bach. Genau wie vor und nach dem legendären Komponisten und Musiker hielten sich auch seine „Berufskollegen“ Mendelssohn, Händel, Brahms und Mahler nur kurze Zeit in der Hansestadt auf – Hamburg war eben nicht immer der Nabel der Welt.

Beamen wir uns kurz in das Jahr 1700: Als 15-Jähriger war Bach für zwei Jahre ein sogenannter „Mettenschüler“ an der Lateinschule in Lüneburg. Die Schule kostete Geld, und da Bach mittellos war, musste er zum Ausgleich zu bestimmten Anlässen bei Gottes-diensten singen. Während dieser Zeit zog es ihn öfter nach Hamburg – denn Bach war Fan von Johann Adam Reincken, der als einer der berühmtesten Orgelspieler seiner Zeit galt und in St. Katharinen spielte. Zwanzig Jahre später bewarb sich Bach auf eine Organis-tenstelle in Hamburg. Er hätte die Stelle auch bekommen können – wären da nicht die 4000 Mark als „Einstand“ für diesen Posten gewesen. Bach kehrte der Hansestadt den Rücken und ging nach Leipzig.

Am morgigen Freitag ist es genau 250 Jahre her, dass J.S. Bach starb. Einer der Gründe für Pastor Christian Rüss, die „Freitag-Nacht-Musik“ an diesem Tag nicht wie sonst im Kellergewölbe des Hamburger Michels anzubieten, sondern das Publikum zur Bach-Nacht in die barocke Hauptkirche selbst zu bitten. „Es ist dieses Mal ein großes Ensemble, das auftreten wird. Das ist in der Gruft nicht machbar, es würde den Rahmen sprengen – und wir wollen nicht, dass die Feuerwehr am Eingang die Leute zurückweist“, meint der Pas-tor.

Bis zu 160 Menschen passen in das Kellergewölbe von St. Michaelis, dessen Deckenhöhe Menschen mit einer Körpergröße über 1,80 Metern zum gebeugten Gehen zwingt. Eigentlich ein passender Ort für die Aufführung von Chorälen und Kantaten aus dem Bachwerkeverzeichnis, denn neben einer fantastischen Akustik befinden sich in der Gruft auch die sterblichen Überreste von Bachs Sohn Carl Philipp Emanuel.

So wird die gut dreistündige Bach-Nacht jetzt ein Stockwerk höher zelebriert. Die Sopranistin Vasiljka Jezovsek, der Bass Jörg Hempel und das 14-köpfige Ensemble agile unter Leitung von Hansjörg Albrecht werden musikalische Stationen aus dem Leben von Johann Sebastian Bach nachzeichnen. Auf dem Programm stehen vier Kantaten, unter anderem „Ich geh und suche mit Verlangen“, zwei Moll-Konzerte und ein Choral.

Das Publikum wird allerdings auf das sonst übliche „Michelsbrot“ verzichten müssen. „Michelsbrot“, das sind von Hamburger Restaurants gesponserte Kulinaria, über die sich das Publikum in der Pause hermachen kann. „Wir haben ein großes Interesse an der Bach-Nacht registriert, aber wir können nicht genau genug kalkulieren, wieviele tatsächlich kommen – es ist uns zu riskant“, bedauert der 59-jährige Pastor.

Die Bach-Nacht ist einer der Höhepunkte der „Freitag-Nacht-Musik“, die Christian Rüss seit sechs Jahren zusammen mit dem Förderverein „Pro Cantico“ organisiert. Der Pastor, der sich selbst an der Schnittstelle zwischen Kirche, Musik und Kulturmanagement sieht, hat dabei nichts gegen ein wenig Profitdenken einzuwenden. „Mit den Überschüssen, die wir aus der Musikreihe erwirtschaften, können wir junge MusikerInnen mit Stipendien fördern. Seit kurzem geben wir auch MusikstudentInnen aus den neuen Bundesländern die Möglichkeit, in unserem Jugendorchester und dem Chor mitzuspielen und so Praxis zu sammeln“, sagt Christian Rüss.

Dass die Bach-Nacht ebenso wie die anderen Konzerte der „Freitag-Nacht-Musik“-Reihe zu ungewöhnlich später Stunde beginnt, hat für den Pastor von St. Michaelis ganz pragmatische Gründe: „Die Leute arbeiten heutzutage länger als früher; so haben sie nach ihrer Arbeit genug Zeit, noch mal unter die Dusche zu gehen“, so der Pastor.

Freitag, 28. Juli, 21.15 Uhr, Hauptkirche St. Michaelis