Rechtsradikale Weinseligkeit

In Rheinland-Pfalz nimmt die Zahl rechtsradikaler Gewalttaten zu: Jüdische Friedhöfe werden geschändet und Ausländer auf Weinfesten zusammengeschlagen. In Landau sucht eine Bürgerinitiative den Dialog mit der Szene – bisher jedoch ohne Erfolg

von der Weinstraße KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Seit dem Brandanschlag von vier rechten Skinheads auf ein Flüchtlingsheim in Ludwigshafen, bei dem drei Kinder verletzt wurden, gilt Rheinland-Pfalz nach Einschätzung der Grünen als „Hochburg der Rechtsradikalen im Westen“. Tatsächlich attackieren dort Banden von rechten Skinheads die Besucher von Weinfesten – vor allem in der Südpfalz. Jüdische Friedhöfe wurden dort gleich mehrfach geschändet.

Auch der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz berichtet von einem Zuwachs der militanten rechtsextremen Szene.Bis zu 70 Personen gehörten allein in der Südpfalz der rechten Skinhead-Szene an, berichtete Polizeiobermeister Frank Thies dieser Tage in Landau. Der zur Gewaltanwendung bereite „politisch harte Kern“ umfasst, nach Auskunft von Thies, rund 20 Aktivisten. Sie konzentrieren sich vor allem in der Stadt Annweiler und im Landkreis Südliche Weinstraße. Die Gruppen seien locker organisiert – mit Querverbindungen zu den Jungen Nationaldemokraten. Dies referierte Thies im Evangelischen Gemeindehaus der Stiftskirche vor Mitgliedern des Arbeitskreises „Rechtsextremismus und Rassismus in der Südpfalz“.

Seit gut einem Jahr beschäftigen sich rund 30 beunruhigte Bürgerinnen und Bürger aus Landau und aus der Region mit dem Besorgnis erregenden Anstieg rechtsradikaler Delikte in der Pfalz. Mit dabei ist auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag von Rheinland-Pfalz, Friedel Grützmacher.

An diesem Abend ging es um „Basiswissen“ und um die aktuelle Situation. Wieder hätten Rechte bei Weinfesten randaliert, Leute angepöbelt und Ausländer zusammengeschlagen. 12 jüdische Friedhöfe seien verwüstet worden, berichtet Thies. Zum so genannten Heß-Gedenktag und zum Volkstrauertag 1999 hätte es an verschiedenen Orten kleinere Aufmärsche gegeben, bei denen auch die Reichskriegsflagge getragen worden sei.

Diverse „Skin-Konzerte“ in der Region, zu denen jeweils bis zu 500 Jugendliche kamen, seien in der Regel von den Jungen Nationaldemokraten organisiert worden.

Die Mitglieder des Arbeitskreises wollen erneut mit der rechten Szene und ihren jungen Sympathisanten ins Gespräch kommen. Sie suchen den Dialog, obwohl schon mehrere Versuche gescheitert sind: Heiner Geißler (CDU), dessen Bundestagswahlkreis die Südliche Weinstraße ist, wurde auf dem Marktplatz von Landau von rechten Skinheads und ihrem Anhang „schlicht abgemeiert“, so ein Mitglied des Arbeitskreises. Auch der grüne Stadtverordnete Hans-Jürgen Büssow (50) fand kein Gehör: „Die haben im Grunde die gleichen Scheinargumente für ihre massive Ausländerfeindlichkeit vorgetragen wie ihre braunen Gesinnungsgenossen im Osten.“ Den Deutschen im Allgemeinen und ihnen im Besonderen gehe es ganz schlecht, dagegen lebten die Ausländer hier wie die Maden im Speck. „Da haben auch viele normale Bürger zustimmend genickt“, erinnert sich Büssow.

Doch trotz der Fehlschläge müsse man weiter versuchen, mit „diesen Leuten“ ins Gespräch zu kommen. „Wir können doch nicht einfach alle einsperren, auch wenn die Neonazis hier inzwischen zu einer echten Landplage geworden sind“, sagte der grüne Stadtverordnete.

Deswegen wollen die Mitglieder des Arbeitskreises jetzt in die Schulen gehen und dort mit den rechts eingestellten Jugendlichen diskutieren. Außerdem soll mit Vertretern gesellschaftlich relevanter Gruppen ein „Präventionsrat“ gegründet werden.

Für den Verfassungsschutz des Landes ist die Vernetzung der „Neonazi-Szene“ derzeit das größte Problem. Über das Internet würden inzwischen auch regional operierende Gruppen von überregionalen Organisationen gesteuert.

Auch in der Südpfalz versucht die NPD, mit der rechten Skinhead-Szene zusammenzuarbeiten. Der bekennende „nationale Sozialist“ Christian Hehl aus Ludwigshafen, inzwischen wegen Körperverletzung gegen einen Polizisten in Haft genommener ehemaliger Führer der verbotenen „Aktionspartei Nationale Kameraden“ (ANK), ist Mitglied der NPD. Vor seiner Inhaftierung arbeitete Hehl an der Vernetzung der braunen Szene in Rheinland-Pfalz mit der im Saarland.

In seinem Ludwigshafener Laden verkaufte er nicht nur Devotionalien für die rechte Szene, das Geschäft war auch auch Anlaufstelle für die militanten Skinheads . Bis er nach anhaltenden Protesten der „Bürgerinitiative gegen rechts“ endlich schließen musste.