Doch kein Friedensnobelpreis

Keine Krönung der schwersten Stunden für den scheidenden US-Präsidenten. Dabei hatte es sich Bill Clinton so sehr gewünscht, seine Amtszeit als diplomatischer Superstar beenden zu können

WASHINGTON taz ■ Sie hätte Bill Clintons größter außenpolitischer Triumph werden können: die Lösung des Nahost-Konflikts. Er blieb ihm versagt. Der Präsident, der seine „Aufmerksamkeit wie einen Laserstrahl auf die Innenpolitik“ hatte konzentrieren wollen – so Clinton 1993 beim Amtsantritt –, hat seine zweite Amtszeit weitgehend verplempert. Zwei Jahre vertrödelte er mit dem Lewinsky-Skandal, zwei weitere in einem Kleinkrieg mit dem Kongress. Derweil löste er große außenpolitische Probleme, stiftete Frieden in Irland, Zypern und in Bosnien und brachte die Europäer dazu, im Kosovo einzugreifen. Das Kronjuwel aber sollte die Vollendung dessen sein, was Jimmy Carter vor 22 Jahren in Camp David begonnen hatte. Sieben Jahre sind seit dem Händedruck zwischen Rabin und Arafat auf dem Rasen des Weißen Hauses vergangen, sieben Jahre lang hat sich Clinton auf Camp David vorbereitet. In kein außenpolitisches Thema hatte er sich so eingearbeitet wie in den Palästina-Israel-Konflikt. Mitarbeiter bestätigen, dass Clinton aus dem Kopf eine Karte Jerusalems nach israelischer Vision zeichnen, das Blatt dann umdrehen und auf der Rückseite eine nach palästinensischen Wünschen skizzieren kann.

Hat Clinton sich zu viel vorgenommen, seinen Charme und seine Fähigkeit, Leute zusammenzubringen, überschätzt und dabei die Probleme an Ort und Stelle aus amerikanischer Distanz unterschätzt? „Camp David war ein Spiel mit hohem Einsatz, das Risiko war gleichwohl berechtigt“, argumentiert Richard Haas, außenpolitischer Experte am Brookings-Institut. Rashid Khalidi, Nahost-Experte an der University of Chicago, wirft Clinton dagegen vor, er habe sich letztlich auf die Seite Israels gestellt, Barak für sein Entgegenkommen in der Jerusalemfrage gelobt und damit implizit Arafats Starrköpfigkeit getadelt: „Dabei zeigen Umfragen in Israel, dass in der Jerusalemfrage noch Luft ist. Barak hätte noch weiter gehen können.“ Clintons Obsession mit dem Palästina-Israel-Problem erklärt Khalidi als Torschlusspanik, die für US-Präsidenten typisch ist. „Erst am Ende ihrer Amtszeit wenden sie sich den Problemen zu, die wirklich wichtig sind.“

Außenpolitik spielt im amerikanischen Wahlkampf traditionell nur dann eine Rolle, wenn sich ein drohender Konflikt abzeichnet, glaubt der Washingtoner Meinungsforscher Ed Goeas: „Und dann suchen die Wähler einen Präsidenten, der vor allem verhindert, dass Amerika in den Konflikt hineingezogen wird. Mit der Wahl Cheneys als Vize hat Bush dafür gesorgt, dass sich niemand um seine Unerfahrenheit Sorgen machen muss.“ Ein positiver Ausgang der Verhandlungen hätte für Gore auch gefährlich werden können, glaubt Rashid Khalidi: „Gore hätte als Partner einer Regierung dastehen können, die Jerusalem und Judäa als Israels heiliges Erbe verspielt hätte, und Gore braucht jede jüdische Stimme.“ Clinton habe Israel unter Druck gesetzt, nur um als Friedensstifter in die Geschichtsbücher einzugehen, kritisiert das höchst konservative und republikanisch dominierte Center for National Security: „Israel wird mit seiner Sicherheit und Amerikas Steuerzahler mit Milliarden die Zeche für Clintons Arbeit an seinem Image zahlen.“ Khalidi hält das Gerede über Clintons Arbeit an seinem historischen Image für dummes Zeug. „Den hat der Nahost-Bazillus befallen, der wird am Thema dranbleiben. Eine Lösung ist noch immer möglich.“ PETER TAUTFEST