: Senatoren geben auf
Wie vom Präsidenten gewünscht, segnet das russische Oberhaus seine Entmachtung ab. Gouverneur Lebed spricht von liberalem Bolschewismus
MOSKAU taz ■ „Mir ist inzwischen alles egal“, stöhnte Alexander Ruzkoi, der Gouverneur von Kursk, vor der Abstimmung im Oberhaus der Duma, die das Schicksal des Föderationsrates in seiner jetzigen Zusammensetzung besiegeln sollte. Die Mehrheit der Senatoren der zweiten Kammer des Parlaments, der Gouverneure und Parlamentsvorsitzende aus den Regionen angehören, schien die resignative Stimmung Ruzkois zu teilen. 119 von 176 Senatoren unterstützten die Gesetzesinitiative des Präsidenten, die einer Selbstentmachtung der regionalen Elite gleichkommt. Nur 18 Senatoren stimmten mit Njet.
Nach dem neuen Gesetz über den „Aufbau des Föderationsrates“ ernennen die Gouverneure ihre Vertreter für das Oberhaus selbst, während die Regionalparlamente einen Repräsentanten aus ihren Reihen wählen. Überdies soll der neue Föderationsrat ständig in Moskau tagen.
Die einflussreichen Gouverneure und Republikpräsidenten hatten sich zunächst gegen die Putin’sche Reform gewehrt. Nicht grundlos befürchten die Regionen, unter dem Vorwand, Recht und Ordnung zu vereinheitlichen und Provinzpotentaten genauer auf die Finger zu schauen, könnte der Kreml ein anderes Ziel verfolgen: die föderalen Kompetenzen zugunsten des traditionellen Moskauer Zentralismus abzubauen.
Zunächst lehnten die Senatoren das Projekt ab. Anfang Juli nahm eine Schlichtungskomission die Arbeit auf. Im Unterschied zu den Senatoren befürwortete eine Mehrheit der Parlamentarier den Vorstoß des Präsidenten.
Die jetzige Fassung weicht kaum von der ursprünglichen Version ab. Die Senatoren verlieren ihre Vollmachten und Kompetenzen, nur bei der Galgenfrist kam man ihnen entgegen. Statt im Februar 2001 soll der neue Föderationsrat erst im Januar 2002 zusammentreten. Der Sinneswandel der Senatoren hat einen einfachen Grund. Widerstand wäre sinnlos. Denn verfassungsrechtlich hält der Präsident alle Trümpfe in der Hand. Jede weitere Neuauflage des Gesetzes aus dem Kreml würde noch restriktiver ausfallen. Am Ende mussten sich die Senatoren geschlagen geben.
Kremlchef Putin hat sich gegen die selbstherrlichen Provinzfürsten durchgesetzt. Bei der Abstimmung über das neue Steuergesetz könnten die Regionen indes die Novellierung blockieren. Auch im neuen Steuerkodex, monieren die Regionalchefs, fände eine Umverteilung zugunsten des Zentrums statt. So fürchtet Alexander Lebed, zurzeit Gouverneur in Krasnojarsk, ein Drittel seines Haushaltsgeldes an Moskau zu verlieren. „Liberaler Bolschewismus“ sei das, was man im Kreml als Strukturreform verkaufe, sagte er lakonisch. KLAUS-HELGE DONATH
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