Godzillas Heimsieg

Robots & Riots beim Festival Z 2000:„Global Ghetto“ im Kreuzberger Kunstamt zeigt Björk als sexy Cyborg und anderen digitalen Hardcore

von OLIVER KÖRNER VON GUSTORF

Als Chris Cunninghams 1998 für die Gruppe Leftfield produziertes Video „Afrika Shox“ von der britischen Independent Television Commission (ITC) indiziert wurde, fiel es unter die Kategorien Fear, Car-Crash, Death, und Disturbing Images. Die radikale Ästhetisierung sozialen Elends, sexueller Obsessionen und körperlicher Abnormitäten, die Cunninghams Videoproduktion auszeichnen, haben ihn weltberühmt gemacht, letztes Jahr wurde er in Linz mit dem Preis der Ars Electronica ausgezeichnet. Entsprechend bekannt ist der Teil seiner Arbeiten, der nun in der Ausstellung „Global Ghetto“ im Kunstamt Kreuzberg zu sehen ist. So auch das 1999 entstandene „All is full of love“, in dem Björk als humanoider Roboter mit ihrer identisch konstruierten Doppelgängerin in einem verlassenen Labor Sex hat, während die beiden Figuren von insektenhaften Maschinen zusammengesetzt werden. Die Szenerie, die von Cunningham als „post-heavy“ beschrieben wird, erscheint post-apokalyptisch: Die Genesis vollzieht sich hier gleichgeschaltet und in völliger Abwesenheit des Menschen.

„Die direkte Konfrontation mit den Welten des Extremen“ war für den Kurator Philipp Virus ein wesentlicher Beweggrund, „Global Ghetto“ im Rahmen der Veranstaltungsreihe Z 2000 zu verwirklichen. Virus ist seit Jahren mit der Band Atari Teenage Riot und den Künstlern ihres Labels Digital Hardcore Recordings verbunden, für die er Videos und Printmedien gestaltet. Seine Ausstellung beschreibt den Informations-Overkill eines faschistoiden Zeitalters, das von der Hegemonie kapitalistischer Weltmächte und Konzerne geprägt ist und nur, so Virus, durch die „Sichtweisen einer neuen Generation, die das bestehende westliche System auslöschen wird“ bekämpft werden kann. Dabei gehören die irritierenden Schwarz-Weiß-Fotos von S/M-Freaks, Schlägern, Sterbenden, die Miron Zownir über Jahrzehnte in den USA, Berlin und Moskau aufgenommen hat, ebenso wie Cunninghams Videostills als Bonus-Tracks zur visuellen Produktion des Digital-Hardcore-Netzwerkes, die sich im Kunstamt als großformatige Ausdrucke über die Wände zieht oder neben Undergroundfilmen wie Ian Kerkhofs „Shabonda Elegy“ in einer umfangreichen Videosammlung zu sehen ist.

Die gesprengte Kuppel des Fernsehturms, CNN-Webseiten, auf denen Bill Clinton die Landung Außerirdischer ankündigt, die Bombadierung des Pentagon: Die Künstlergruppe The Force Quit Resolution lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass wir uns im Krieg befinden. Zielstrebig arbeitet „Global Ghetto“ mit der Bildsprache des musikalischen Undergrounds, die sich von Noise- und Industrial-Bewegungen der Siebzigerjahre bis hin zum digitalen Hardcore des neuen Millenniums anscheinend nicht wesentlich verändert hat. Faschistische Symbolik, der Holocaust, die CIA, konspirative Theorien: Wo Atari Teenage Riot in ihrem Anti-Rassismus und der Verachtung von Herrschaftssystemen agieren und dabei unberechenbare destruktive Kräfte freisetzen, ist die Ausstellung erstaunlich absehbar und formal alles andere als revolutionär. Das äußert sich vor allem in der Wahl der Mittel: Philipp Virus’ Clips zu „Revolution Action“ oder „Alec Empire vs. Elvis Presley“ sind voller roher Kraft. Dagegen wird ein Bild wie „Carl Crack vs. Adolf Hitler“, auf dem ein ATR-Mitglied Hitler den Kopf wegpustet, von der Fangemeinde wahrscheinlich aufgenommen wie der Heimsieg einer Kreuzberger Fußballmanschaft.

Anstatt Bewegung und Irritation zu erzeugen, verlässt sich „Global Ghetto“ auf die altbekannten Mechanismen einer Bilderaustellung. „Size does matter“ ist der Slogan der sponsernden Firma für Riesenposter, der über dem Eingang der Show hängt. Ob Formulierungen wie „Remove Duality through Unity“ wie sie sich unter den Hakenkreuz- und Judensternmotiven von The Force Quit Resolution finden, durch optische Vergrößerung erträglicher werden, bleibt fraglich. „Global Ghetto“ ist auf jeden Fall eine kontroverse Angelegenheit. Doch an den Stellen, wo die Ausstellung unter allen Umständen radikale Gesinnung und Größe zu beweisen versucht, strauchelt sie. Wir alle wissen, was mit Godzilla passiert ist.

Bis 20.8., Di–Sa 12–18 Uhr, Kunstamt Kreuzberg, Mariannenplatz 2.