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Rasenmähen ist sexy, gesund, in!

Gibt es eine Trendwende beim Reiseweltmeister Deutschland? Repräsentatives unseres Korrespondenten in Bochum-Stiepel

Lifestyle-Produkt Urlaub. In unserer Sommerserie stellen taz-Korrespondeten grenzübergreifend Urlaubsstile vor. Denn zwischen Wanne-Eickel und Buenos Aires ändern sich nicht nur die Destinationen, sondern auch die Gewohnheiten. Heute: die Deutschen

von GÜNTER ERMLICH

„Gartenarbeit überholt Wandern.“ Von Platz 13 auf 10 der Hitliste der beliebtesten Freizeittätigkeiten katapultierte sich „Gartenarbeit, Umgang mit Pflanzen“. Und plaziert sich direkt vor das „Wandern“, das von 10 auf Rang 11 zurückgefallen ist. „Beide, Gartenarbeit und Wandern, haben mit der Suche der Menschen nach Natur zu tun.“ Das erforschte die Deutsche Gesellschaft für Freizeit (DGF) letztes Jahr in einer Verbraucheranalyse. Ausgehorcht wurden exakt 31.337 Men-schen über 14 Jahre.

Was wir über Jägerzäune hinweg in der Nachbarschaft schon seit ein paar Sommern beäugt haben, ist endlich freizeitwissenschaftlich untermauert: Im deutschen Garten gärtnert’s sehr.

Der Garden Event schlechthin ist das Rasenmähen. Rasenmähen liegt voll im Trend, macht Fun und ist verdammt sexy. „Ich will Spaß, ich will Spaß, ich geb Gas, ich geb Gas!“, trällert der Freizeitgärtner frohgemut und lässt es brummen. Brrm, brrm, brrm, dröhnt es von nah und fern, mit Vorliebe, wenn Papa frei hat und die Ärmel aufkrempelt. Denn Rasenschneiden bleibt nach wie vor, so unsere kleine Nachbarschaftsstudie, eine Männerdomäne. Sollen doch die Gattinnen Unkraut jäten, Stauden pflanzen oder Beete wässern.

Star der Straße ist Frührentner J. Mit seinem feuerroten Rasen-Ferrari zieht der „Garten-Schumi seine Bahnen auf dem Green, halb so groß wie ein Fußballfeld. Gekonnt umkurvt er, von den Nachbarsfrauen angehimmelt, jede Rosenrabatte und die mit Stiefmütterchen gefüllte Zierschubkarre. An seinem ultramodernen Aufsitzrasenmäher ist aber auch alles dran: sechs Pferdestärken, Rennlenker, schnittiger Schalensitz, hydrostatische Kupplung, elektische Absenkung zur Verstellung der Schnitthöhe und und und ... natürlich ein formvollendeter Grasauffang- und Entleerkorb. 2.500 Mark hat sein „Spielzeug“ gekostet, das er von Frühjahr bis Herbst jede Woche in Bewegung setzt. Das Marktpotenzial für den rasenmähenden Untersatz scheint immens: Mehr als fünf Millionen „Erholung suchende Techniknutzer“, so das Fachorgan Flora schon vor Jahren, gärtnern light.

Unser Nachbar zur Rechten, Orthopäde V., nennt noch einen benzingetriebenen, zweitaktigen Rasenmäher sein Eigen. Beim Mähvorgang läuft seine Frau wie die Gänseliesel vorneweg, um ein bildschönes Wildkraut vor den wetzenden Messern zu retten.

Rasenmähen! Was für eine brutale Metapher! Findet ausgerechnet Gregor C. Wolf, Inhaber der Firma Wolf Garten, im Interview mit der Zeit: „Da wird der Mähvorgang als ein brutales, maschinelles Gemetztel dargestellt. Die fiesen großen Messer, ratsch, ratsch, ratsch, und die armen kleinen Gräser. Ist natürlich völliger Quatsch. Das Mähen ist in Wahrheit nur ein kleiner Teil einer umfassenden und einfühlsamen Arbeit, nämlich der Gartenpflege.“ Unser Nachbar zur Linken, Elektriker D., betreibt einfühlsame Gartenpflege – und schwört dabei auf seinen mulchtauglichen Elektromäher. „Toro“ erledigt das Kompostierungsgeschäft gleich auf der Rasenfläche, er zerkleinert das Schnittgut schön gleichmäßig und arbeitet es weitgehend in die Grasnarbe ein. Hat in puncto Mulchmähleistung ein glattes „sehr gut“ von der Stiftung Warentest bekommen, sagt D. mit geschwellter Brust.

Ganz andere Wege beschreitet Nachbarin T. vis-à-vis. Sie verachtet hochgezüchtete, lärmende und stinkende Mähermaschinen. Dieser picobello „gepflegte“, englisch kurz rasierte Rasen, das soll Natur sein? Deshalb will sich die ökobewegte Tierärztin für ihren nächsten Grünschnitt probehalber einen lebendigen Rasenmäher mieten: Rent a sheep! Ein fein malmendes Wollknäuel zum Abweiden ihres Rasens in Hanglage. Drei Pfennig pro Quadratmeter soll der Spaß kosten. Weil ein Schaf so allein ist, muss Frau T. aus Gründen des Artenschutzes aber gleich zwei Tiere zum Weidegang mieten.

Für Steuerberater E., Sohnemann von Frührentner J. (siehe oben), ist Rasenmähen nicht die einzige Daseinsberechtigung des Rasenmähers. Zu gern würde er Vaters Sitzrasenmäher mal „ausleihen“, um mit sechs Stundenkilometern, wie Alvin Straight in David Lynchs Film, durch die Welt zu tuckern. Es muss ja nicht unbedingt der Mittelwesten Amerikas sein, das Sauerland würde ihm schon reichen.

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