„Auf Unterhaltungsliteratur verzichten“

Geschäftsführer Peter Wilfert erklärt, wie er Rowohlt wieder zu einem literarischen Verlag machen möchte – mit mehr Lektoren und Debatte. Seine abtrünnige Autorin Elfriede Jelinek hat er noch nicht aufgegeben: „Die Tür ist nicht zu“

 taz: Herr Wilfert, die Autoren Péter Nádas, Imre Kertész und Elfriede Jelinek verlassen den Rowohlt Verlag. Warum?

Peter Wilfert: Erstens gibt es Autoren, die ihren Lektoren bei einem Verlagswechsel folgen. Zweitens führen Umstrukturierungsmaßnahmen bei den Mitarbeitern eines Verlages zu Verunsicherungen – und wie sollte es dann bei den Autoren anders sein? Drittens werden solche Umbruchsituationen natürlich auch immer von der Konkurrenz ausgenutzt. Besonders eine Person gräbt und gräbt da . . .

Ach, ja . . . ?

Ich werde jetzt keinen Namen nennen. Viertens hat seit längerer Zeit ein innerer Entfernungsprozess zwischen dem Verlag und bestimmten Autoren stattgefunden, es hat Versäumnisse in der Kommunikation gegeben. Das führt jetzt zu Konsequenzen. Wir müssen wieder mehr bei den Autoren sein.

Waren Sie denn schon bei Frau Jelinek – bzw. haben mit ihr gesprochen?

Die Absprache, die ich mit ihr getroffen habe, ist die: Sie folgt ihrem Lektor mit dem nächsten Buch zum Berlin Verlag. Ein weiteres Buch ist bisher noch nicht in Planung, und das heißt, dass aus meiner Sicht keine Tür zu ist.

Wie sehen Sie den Verlag Rowohlt in der Zukunft?

Die Überbesetzung des Marktes hat ja dazu geführt, dass die Buchhändler die Titel rigoros aussieben, die sie ihrer Meinung nach nicht verkaufen können. Viele Verlage – nicht nur Rowohlt – haben deshalb lange geglaubt, man müsse mit möglichst großer Titelzahl um Marktanteile oder Präsentationsflächen in den Buchhandlungen kämpfen. Das hat sich als absoluter Fehlweg erwiesen. Meine Meinung ist, dass das Programm verkleinert werden muss – und zwar auf seinen Kernbereich. Rowohlt kann im Hardcover sehr wohl auf einen Unterhaltungsanteil verzichten. Rowohlt soll wieder ein literarischer Verlag werden.

„Literarischer Verlag“ klingt toll. Weswegen laufen Ihnen die Schriftsteller trotzdem weg?

Manche Autoren sind einfach nicht mehr Teil der aktuellen literarischen Debatte – Sie erlauben mir, dass ich da jetzt keine Namen nenne.

An welche Debatte denken Sie?

Rowohlt muss, wie früher, in der Belletristik und im Sachbuch an der gegenwärtigen gesellschaftlichen Diskussion teilnehmen. Beispielsweise wird im Moment viel über die Durchökonomisierung der Gesellschaft diskutiert. Das ist ein Rowohlt-Thema: Wenn alles, selbst Gefühle, zum Markt wird, dann braucht’s da Bücher dazu.

Die Unternehmensberatung McKinsey war bei Ihnen im Haus. Was sind die Folgen?

Sie werden sich wundern: Wir bauen auch Personal auf! Unser Lektorat ist erweitert worden, sieben Stellen sind neu zu vergeben. In Vertrieb und Werbung verändert sich ebenfalls etwas. Schlanker werden wir in Bereichen, die nicht das Finden oder den Vertrieb von Büchern angehen, in der Administration und der Logistik . . .

„Schlanker werden“ heißt Entlassungen?

Nein. Es geht um Stellenabbau über natürliche Fluktuation oder auch Vorruhestandsregelungen.

Was heißt das in Zahlen?

Letzten Herbst waren wir 172 Mitarbeiter, aktuell sind wir 142.

Stephen King hat seinen letzten Roman an seinem Verlag vorbei ins Internet gestellt. Macht Ihnen so etwas Angst?

Stephen King vermarktet inzwischen nur noch seinen eigenen Namen. Das ist tatsächlich eine ganz große Gefahr für die Verlage: Sie werden benutzt, um dem Autor zum Status eines Markenartikels zu verhelfen – doch danach kann er genauso gut ohne den Verlag auskommen. Nur: Je häufiger so etwas vorkommt, desto beliebiger wird dieser Prozess. Im Internet gibt es ja keinen Filter. Und diese Aufgabe – zu filtern – können in Zukunft Verlage wie Rowohlt erfüllen. Wir können Dinge ablehnen, die wir für nicht wichtig halten. Im Internet können sie ja ruhig trotzdem stehen.

Wie kommt Rowohlt ins Internet?

Wir selbst haben nur eine Service-Seite. Aber es gibt innerhalb der Holtzbrinck-Gruppe eine Internetfirma, Booxtra, mit der wir über Rechte und Verwertungen reden.

Rowohlt, so hört man, hat im letzten Jahr 9 Millionen Mark Verlust gemacht. Glauben Sie wirklich, der Verlag wird in zwei Jahren wieder schwarze Zahlen schreiben?

Ja. Vielleicht schaffen wir das schon 2001.

INTERVIEW: KOLJA MENSING
UND VOLKER WEIDERMANN