Schlammschlachtenprofi

Sigrid Löffler hat keine Lust mehr; sie zieht sich vom „Literarischen Quartett“ zurück

Hexe oder Heilige – seit dem Eklat im „Literarischen Quartett“ am 30. Juni schwankt das mediale Bild von Sigrid Löffler mehr denn je. Dabei kam es in den letzten Jahren immer wieder zu öffentlichen Auseinandersetzungen rund um die österreichische Literaturkritikerin mit den „differenzierten Betrachtungen“. Jetzt wurde sie von Marcel Reich-Ranicki aus dem Quartett gemobbt; eine Debatte um Haruki Murakamis Buch „Gefährliche Geliebte“ lieferte den Vorwand. Anscheinend ertrug der autokratische Literaturpapst ihren oft schnippischen Widerspruch beim Bücherverreißen nicht mehr.

Den ersten öffentlichen Knatsch um Löffler gab es allerdings schon 1993, als der stellvertretenden Chefredakteurin des Wiener Magazins Profil nach 20 Jahren Mitarbeit gekündigt wurde, angeblich wegen „übermäßiger Nebentätigkeit“. Denn fünf Jahre zuvor, 1988, war Löffler zu einem der Dauermitglieder des neu gegründeten „Literarischen Quartetts“ geworden. Derart verspätet Löfflers Fernsehauftritte zu einem Kündigungsgrund zu übersteigern, bezeichnete die Schriftstellerin Elfriede Jelinek damals als „absurd“, vielmehr sah sie in der „brillanten Schreiberin“ einen letzten „Hort der Pressefreiheit“ in Österreich.

Auf das nächste Kamikaze-Unternehmen ließ sich Löffler ein, als sie 1996 Feuilletonchefin der Zeit wurde. Dort, auf dem abgehobenen „Planeten Speersort“, wollte sie gegen den Willen etlicher Redakteure ein „aktuelles Debattenfeuilleton“ durchsetzen – und geriet prompt mit dem heimlichen Ressortleiter Benjamin Henrichs in einen „Kulturkampf“. Allerdings wurde sie damals noch durch den neuen Chefredakteur Roger de Weck unterstützt. Obwohl Theaterredakteur Henrichs 24 Jahre lang das Zeit-Feuilleton geprägt hatte, nahm de Weck dessen als Drohung gemeinte Kündigung an. 1999 trennten sich dann jedoch auch de Weck und Löffler „in guten Einvernehmen“ – dabei kursierten zwischenzeitlich Gerüchte, ihr sei gekündigt worden. Wegen „mangelnder Führungsqualitäten“ und – „zu vieler Nebentätigkeiten“.

Unfreiwillig ironisch mutet es darum an, dass es ausgerechnet im „Literarischen Quartett“ zum Eklat kam, von dem sich Sigrid Löffler nun am letzten Wochenende offiziell verabschiedete. Damit ist die öffentliche Auseinandersetzung jedoch nicht beendet. Die Publizistin Elke Heidenreich, sonst bekannt für feministische Statements, trat im Spiegel noch nach: „Ich hätte noch schlimmer mit ihr abgerechnet. Dem Buch zuliebe.“ Heidenreich war schon vor Wochen als mögliche Nachfolgerin Löfflers gehandelt worden. ANIA MAURUSCHAT