BASISORGANISATIONEN PLANEN IWF-PROTEST IN PRAG
: Furchtlos – aber fruchtlos

Noch kann der Chef des Internationalen Währungsfonds, Horst Köhler, problemlos in Prag einfliegen, um mit Tschechiens Václav Havel die Jahrestagung vorzubereiten. Wahrscheinlich könnte er sogar unerkannt durch die Stadt schlendern. Spätestens zu Beginn der Tagung am 20. September wird das nicht mehr möglich sein: Friedlich oder nicht, die Demonstranten werden gemeinsam mit den 11.000 Polizisten Prag unpassierbar machen. Die Medien werden von Verzögerungen, Verletzungen, Steinwürfen berichten – aber auch davon, was hinter den Türen passiert. Denn bei allem Respekt vor Protest ist eine Wiederholung von Seattle, eine lahm gelegte Tagung, dennoch unwahrscheinlich. Der Überraschungseffekt fehlt.

Zudem: Welchen Sinn hat der Protest während des Gipfels, wenn man ansonsten schweigt? Ungestört kann das von den Demonstranten so angefeindete Trio Infernale, IWF, Weltbank und WTO, über die Geschicke von Milliarden Menschen entscheiden. Köhler treibt die Reform des IWF voran, richtet hier eine Arbeitsgruppe ein, befürwortet dort mehr Stimmen für die afrikanischen Staaten, fordert Strukturanpassungen. Die Weltbank bewilligt hier einen Kredit für eine Ölpipeline, scheitert dort ein bisschen an den unwilligen Exekutivdirektoren beim Chinakredit. Die in Seattle so angegriffen wirkende WTO verhandelt derzeit über den Agrarsektor und erlaubt Sanktionen.

Protest? Pressemitteilungen? Briefaktionen im Internet? Eine Strategie, die nicht nur Jahrestagungen stört, sondern auch die Alltagsentscheidungen beeinflusst? Diese mühsame Kleinarbeit leisten nur wenige Organisationen. Stattdessen eine bildreiche, verschwörerisch-waffenlüsterne Kampagne für Prag. Selbst wenn es gelingen würde, die Tagung lahm zu legen, was würde das langfristig bewirken? Mal ehrlich – die meisten Wütenden würden weder Köhler noch den deutschen Exekutivdirektor bei der Weltbank erkennen, wenn sie in Jeans ein Bierchen trinken gehen in Prag. Die Organisationsmöglichkeiten des Internet funktionieren glänzend für Demo-Vorbereitungen. Für die Entwicklung und Umsetzung einer politischen Strategie außerhalb der Gipfel wird es leider bisher kaum genutzt. MAIKE RADEMAKER