Konvent farbig – Delegierte weiß

Der republikanische Konvent in Philadelphia will die Partei in neuer Offenheit zeigen. Die Mehrheit der Delegierten aber ist viel konservativer als die Message, die George W. Bush durch den Präsidentschaftswahlkampf tragen soll

aus Philadelphia PETER TAUTFEST

„Elektrizität liegt in der Luft“, ruft Reverend Herbert Lusk von der Greater-Exodus-Baptisten-Kirche, „wir lagen darnieder, aber der Glaube hat uns aufgerichtet“, und wie in schwarzen Gottesdiensten üblich, schallt dem Reverend ein vielfaches „Oh yeah“, und „Amen“ entgegen. Seine Zuhörerschaft umfasst an diesem Abend nicht nur seine kleine Gemeinde in einem Slum im notorisch heruntergekommenen Norden Philadelphias. Der Baptistenprediger wendet sich per Video an die 40.000 Menschen, die im Sportpalast des First Union Stadiums in Philadelphia zur Eröffnungsveranstaltung des republikanischen Konvents versammelt sind.

„Wir haben an die Herzen unserer Menschen und Nachbargemeinden gerührt. Vor zehn Jahren wollte uns die Bank keinen Kredit für die Renovierung unseres Gotteshauses geben, heute gehört uns die Bank.“

Es ist die Message der Republikaner: Glauben und Eigeninitiativ. Nicht der Staat und seine Programme, sondern der Erfindungsreichtum der Menschen überwindet die Not. Reverend Lusk hat keine Hemmungen, in seiner Predigt George W. Bush als den Stern hervorzuheben, der seiner Gemeinde geleuchtet hat. Als schließlich der Kirchenchor einsetzt, winden und wenden sich die Delegierten beim Tanz und Händeklatschen, als gingen sie jeden Sonntag in schwarze Kirchen.

Als das Video ausgeblendet wird, steht eine echte Gospelband auf der Bühne, die zweite an diesem Abend. Wenig vorher hat Elaine Cho sich an die Versammelten gewandt: „Einwanderung ist nicht etwa ein Problem, das es zu lösen gilt, es ist Teil des amerikanischen Traums“, Amerika werde sich unter George W. Bush so ändern, dass Einwanderer mit offeneren Armen aufgenommen werden. Man reibt sich die Augen. Das soll die gleiche Partei sein, die vor vier Jahren noch mit einwandererfeindlichen Parolen Wahlen gewinnnen wollte?

Die Farbigkeit des Programms und der auf dem Podium versammelten Redner und Darsteller findet im Plenum keine Entsprechung: Die Mehrzahl der Delegierten sind weiße Männer mittleren Alters. Sie sind überdurchschnittlich gut gebildet, gehören in ihrer Mehrheit zu den Besserverdienenden, sind eher konservativer als die Wähler der Republikaner und allemal konservativer als das Wahlvolk insgesamt. Vor allem sind sie konservativer als das Gesicht, das die Partei in diesem Jahr zeigen will.

Die Republikanische Partei hat ganz auf den Slogan „Compassionate Conservatism“ gesetzt, auf den mitfühlenden Konservatismus. Kongressabgeordnete und Parteitagsdelegierte gehen diese Woche in die Slums und reparieren heruntergekommene Häuser; die Ärzte unter ihnen boten ihre Dienste in einer Stadtteilklinik an. Die Frage ist, ob die Partei das Gesicht verkaufen kann, das sie anlässlich dieses Parteitags aufsetzt, und die Wähler davon überzeugen, dass sie anders geworden ist.

Auch in anderer Hinsicht könnte der Kontrast zum Parteitag vor vier Jahren in San Diego nicht größer sein: Die Delegierten sind siegesgewiss. Schon wird darüber geredet, wer welches Regierungsamt bekommen soll. Bush hat nach unterschiedlichen Meinungsumfragen zur Zeit 3 bis 15 Prozent Vorsprung vor seinem demokratischen Konkurrenten Al Gore. Durch die „Conventions“ bekommt der Kandidat erfahrungsgemäß immer noch mal einen Extrabonus von fünf bis sieben Prozent. Vorsprünge von über 20 Prozent aber lassen sich in der dritten Phase des Wahlkampfs nicht mehr aufholen, so die Lehren der Vergangenheit und die Überlegungen der Delegierten. Wenn sich sonst im Lande auch kaum jemand für den Parteitag interessiert, die Delegierten unterhalten sich bestens.

Zeitgleich mit dem republikanischen Parteitag eröffnete der so genannte Schattenparteitag, eine alternative Versammlung, die all jene Themen zur Sprache bringen will, über die auf den offiziellen Conventions geschwiegen wird. Bei der Erföffnungsveranstaltung wurde der Star des Tages ausgepfiffen: Der in den Vorwahlen unterlegene Kandidat John McCain hatte sich von seiner Partei nicht verbieten lassen, auf der Gegenveranstaltung aufzutreten, meinte aber zum Ärger etwa der Hälfte der rund 1.000 Anwesenden, in seiner Rede für George Bush eintreten zu müssen.

Zeitgleich mit diesen beiden Veranstaltungen demonstrieren lokale Gruppen gegen Globalisierung und Militärhilfe für Kolumbien, Raketenrüstung und Todesstrafe. Ihre friedlich verlaufene Eröffnungsdemonstration brachte am Sonntag 7.000 Menschen auf die Straße.