Bayern fordert NPD-Verbot

Innenminister Beckstein: Rechtspartei ist Kristallisationspunkt für Gewalttäter. Andere Länder sind skeptisch, ob ein Verbot durchsetzbar ist. Bundesregierung will Allianz gegen Rechtsextreme

BERLIN taz ■ Der Freistaat Bayern fordert ein Verbot der rechtsradikalen Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD). Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) erklärte, die NPD spiele „als Kristallisationspunkt“ eine zentrale Rolle für den gewaltbereiten Rechtsextremismus. Daher sei es an der Zeit, die Partei zu verbieten.

Beckstein betonte, er habe bereits mit den anderen Innenministern gesprochen. Diese hätten Zustimmung signalisiert. Der Innenminister forderte die Bundesregierung auf, einen Verbotsantrag beim Bundesverfassungsgericht einzureichen.

Im Kampf gegen die anhaltenden rechtsextremen Gewalttaten setzt die Bundesregierung neben härterer Verfolgung auf einen breiten Bewusstseinswandel. Gewalt müsse von der gesamten Gesellschaft geächtet und dürfe nicht stillschweigend geduldet werden. Das sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesinnenministerium, Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD). Dazu wolle die Regierung breite Allianzen etwa mit Gewerkschaften und Arbeitgebern schmieden. Sonntag-Wolgast äußerte sich nach einem Sondertreffen mit Staatssekretären aus dem Justiz- und Familienministerium am späten Dienstagnachmittag in Berlin. Auf ein mögliches NPD-Verbot angesprochen, erklärte die Staatssekretärin: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass es jetzt geboten ist, Verbote bestimmter Organisationen zu beschließen.“

Ein Verbot der NPD wird auch im Bundesamt für Verfassungsschutz sehr skeptisch beurteilt. Auch Niedersachsens SPD-Landesregierung erklärte gestern, sie befürworte das von Bayern verlangte Verbot der NPD. Sie bewerte die rechtlichen Möglichkeiten dafür skeptisch.

Die Bundesvorsitzende der Grünen, Renate Künast, bezeichnete den bayerischen Vorstoß als „Werfen von Nebelkerzen“. Ein Verbot sei unrealistisch, die NPD wahre sehr genau die Grenze dessen, was zu einem Verbot Anlass geben könnte. Zudem lösten Verbote das Problem nicht.

Von der Rechtsextremismusexpertin der Grünen-Bundestagsfraktion kam Widerspruch. Annelie Buntenbach sagte der taz: „Ich persönlich halte ein NPD-Verbot für nötig.“

Die NPD zählte nach Angaben des Verfassungsschutzes im Jahr 1999 6.000 Mitglieder. Seit der Übernahme des Parteivorsitzes durch Udo Voigt verfolge sie das Konzept, insbesondere neonazistische Strukturen und Personen in die alten Strukturen der NPD einzubinden. Sowohl bei den fremdenfeindlichen Übergriffen vom vergangenen Wochenende in Eisenach und München sind Personen mit NPD-Bezug beteiligt gewesen als auch bei einem Skinhead-Überfall in Wuppertal Anfang Juli.

Die Staatssekretäre der Landesinnenminister vereinbarten bereits am Montagabend telefonisch, die Maßnahmen gegen Rechtsextremismus zu verstärken. Unter anderem befürworten die Staatssekretäre ein entschiedeneres Vorgehen gegen rechtsextreme Internetseiten, härtere Strafen wurden aber abgelehnt.

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) forderte ein Gesetz gegen rechte Propaganda im Internet. „Das Internet wird allmählich, aber doch sehr bemerkbar zu einer rechtsextremistischen Agitationsfläche“, sagte er im ZDF. CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz warf der Regierung Schröder gestern Versagen vor. Die steigende Zahl rassistisch motivierter Verbrechen sei ein alarmierendes Signal. Der Grünen-Vorsitzende Fritz Kuhn nannte die Polenz-Äußerungen „ein parteipolitisches Süppchen“.

Auch gestern gab es wieder zahlreiche Berichte über rechtsextreme Übergriffe, Sieg-Heil-Rufe und Hakenkreuzschmierereien. BABS/TST/KN

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