Streetstyle Timba

Was ist der Unterschied zwischen einer angloamerikanischen und einer kubanischen Boygroup? Die angloamerikanische singt „Komm zurück zu mir!“, die kubanische „Ich lass dich zwei Mal kommen!“. Es waren Obszönitäten, die 1997, als die Charanga Forever noch Charanga Habanera hieß, der Gruppe ein sechsmonatiges Auftrittsverbot einbrachten. Bei einem Festival mit TV-Übertragung hatten die Sänger mit dem Bedürfnis nach „Frischfleisch“ kokettiert, konvulsivische Beckenbewegungen sehen lassen und die Ordner aufgefordert, die Bühnenabsperrungen nieder zu reißen. Die drakonische Reaktion der nationalen Musik- und Fernsehgesellschaften machte die Charanga Habanera zum Politikum bei allen Kubanern, die konvulsivische Be-ckenbewegungen beim Tanzen für unverzichtbar halten. Und das sind so ziemlich alle.

Der Erfolg der Charanga, so wird kolportiert, stieg Bandleader David Calzado zu Kopf, 1998 rebellierte der Großteil der Gruppe und reformierte sich als Charanga Forever. Die kultiviert weiterhin den zappeligen Salsa-Sound, den man auf Kuba „Timba“ nennt, und jene rebellische Attitüde, die ihr den Vorwurf genretypischen Machismo einbrachte.

„Sie klagen uns an, überzeugte Untreue zu sein/die nur an ihren Spaß denken/und stolz darauf sind, mehrere Frauen zu haben“, heißt es in „La almohada“, und man soll gar nicht so genau rauskriegen, wer gemeint ist: das Politbüro oder die blöden Ziegen, die sich nicht damit zufriedengeben, was der Macker ihnen gibt. „Du kritisierst mich, aber du lässt nicht von mir/Was beschwerst du dich, Moralistin?“ So geht der kubanische Streetstyle: Hüftkreis-Contest und dicke Eier auf der einen, tiefempfundenes romantisches Pathos auf der anderen Seite. Wer sich sein Wim Wendersches Kuba-Bild erhalten will, macht heute einen großen Bogen um die Fabrik und geht morgen schön in den Stadtpark, zu Compay Segundo. Christoph Twickel

heute, 21 Uhr, Fabrik