Politik zum Chillen

Love and peace: Freundeskreis spielt im Stadtpark und bringt alle mit  ■ Von Eberhard Spohd

Im Jahre 1945 verlor das faschis-tische Deutschland den Krieg und wurde unter vier Mächten aufgeteilt. In Stuttgart wurde die U.S. Army stationiert und brachte Musik mit, die vorher niemand hören konnte – oder durfte. Der Swing eroberte die Stadt für einige Zeit. Der Einfluss, den die GIs ausübten, wirkt bis heute nach. Irgendwann Anfang der 80er Jahre erschienen sie in den Clubs der baden-württembergischen Haupstadt und brachten den Rap ins Ländle. Es entstand eine kleine, aber überaus feine Szene von Rappern, DJs, Breakern und Sprayern, die begann, nicht mehr nur die Texte der amerikanischen Vorbilder nachzusprechen, sondern mit eigenen Produktionen Props erntete.

Zu diesen frühen Könnern zählte auch Martin Welzer, der als DJ Fresh die Gruppe Raw Diamenz unterstützte. Aus Welzer wurde später DJ Friction, der Mann, der beim Freundeskreis die schleppend groovenden Klänge unter den Sprechgesang legt. Über die Arbeit lernte er auch die anderen Kollegen in Stuttgart kennen, die Krähen mit ihrem DJ Thomilla, die Massiven Töne und letztlich auch Maximilian Herre und Don Philippe. Der Zirkel war geschlossen.

1997 veröffentlichte Freundeskreis die erste Single mit dem Titel „Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“. Die Politik hatte sich den HipHop wiedererobert. Als es gearde so schien, als wollten die Kameraden ins Private abtauchen, sprach da plötzlich jemand von den Diktatoren und Despoten dieser Welt, von Seveso und Tschernobyl und Krieg. Die eigene Geschichte wurde umgedeutet auf den Lauf der Welt und die großen Katastrophen mit dem eigenen Weg verglichen. Genauso plötzlich war da jemand, der mit „A-N-N-A“ ein Liebeslied rappte und auch nicht davor zurückschreckte, Udo Lindenberg zu covern.

Das Image war klar: Max war der Rapper im Norwegerpulli. Die Tracks waren so abgehangen produziert, dass man sich dazu gar nicht bewegen, sondern sich für ewig im bequemen Sessel herumfläzen wollte. Es war als hätte der Ausdruck „chillen“ nur für die Musik des Freundeskreis in die deutsche Sprache Eingang gefunden. Wenn da nicht noch die Kumpels gewesen wären.

Die Kolchose, Stuttgarts stärkste HipHop-Posse, hatte sich mit der Zeit immer mehr zusammengefunden. Was lag da näher, als sich gegenseitig auf den Platten zu featuren und gemeinsam auf Tour zu gehen. Die FK Allstars, so nannte sich die Gruppe, die gemeinsam unterwegs war und anschließend ein Live-Album herausbrachte. Und auch am Sonntag wird neben Max, Don Philippe und DJ Friction die halbe süddeutsche Clique auf der Bühne stehen: Afrob ist angekündigt, Déborah, Mr. Gentleman, Brooke Russell und Sékou. Wahrscheinlich werden sie im Stadtpark so schöne Musik machen, dass selbst die Sonne sich zeigen wird, angezogen von so viel Relaxtheit.

Freundeskreis hat die Quadratur des Kreises geschafft. Obwohl sie ein originäres HipHop-Trio sind, haben sie den Posse-Gedanken zur Vollendung getrieben. Obwohl sie auf notorische Art politisch sind, haben sie es geschafft, Musik über Themen zu machen, die gemeinhin in ihrem Genre der Poser und Disser vermieden werden. Die Generation der Post-Friedensbewegten kauft auf der einen Seite mit großer Begeisterung ihre Platten und wird auf der anderen wieder an Werte herangeführt werden, die schon als vergessen galten: Love, peace and universal understanding. Dabei sind die drei weder dogmatisch noch autoritär und schon gar nicht übertrieben peinlich. Schön, dass es sowas noch gibt.

Sonntag, 18.30 Uhr, Freilichtbühne, Stadtpark