Niederlage für Barak

Israels Regierungschef unter Druck: Das Parlament votiert in erster Lesung für vorgezogene Neuwahlen. Außenminister Levy legt sein Amt nieder

JERUSALEM taz ■ Am letzten Tag vor den israelischen Parlamentsferien hat Ministerpräsident Ehud Barak eine neue politische Ohrfeige einstecken müssen. Mit klaren Mehrheiten stimmte die Knesset in erster Lesung über fünf Gesetzentwürfe zur Auflösung des Parlaments ab. Damit können, wenn die Gesetze in drei weiteren Lesungen ebenfalls mehrheitlich befürwortet werden, vorgezogene Neuwahlen eingeleitet werden.

Mit auf Seiten der Opposition votierte Außenminister David Levy für die Parlamentsauflösung. Levy machte gestern Vormittag seine Drohung wahr und verabschiedete sich aus der Regierung. „Mein Schritt ist unvermeidbar“, meinte Levy und begründete seinen Rücktritt mit der veränderten Richtung des Ministerpräsidenten, die „entgegen unseren Abmachungen in der Regierung“ laufe. Der scheidende Außenminister betonte, dass sich eine „echte Freundschaft“ zwischen ihm und Barak entwickelt habe, dennoch könne er nicht unterstützen, dass sich Israel zu einer Teilung Jerusalems verpflichte. „Hier ist die Rede vom Herzen des Herzens des antiken Jerusalems.“

Oppositionsführer Ariel Scharon begrüßte erwartungsgemäß die Entscheidung des Außenministers. „Der Schrecken und die Sorge um die Nation sind Levy und mir gemein“, meinte Scharon. Über die Möglichkeit, David Levy in die Reihen des Likud zurückzurufen, meinte der Oppositionsführer, dass es an der Zeit sei, eine „Jerusalem-Koalition“ zu gründen mit all den Politikern, die um die Zukunft der Stadt besorgt seien. Er heiße ferner jeden willkommen, der bereit sei, in die Partei zurückzukehren. Damit spielt Scharon vor allem auf drei Politiker der Zentrumspartei an.

Barak gab sich trotz der Niederlage bei der Abstimmung zuversichtlich. Er selbst hatte am letzten Tag vor der Sommerpause 1998 einen Gesetzentwurf zur Knessetauflösung eingebracht, der im Dezember in dritter Lesung verabschiedet wurde. Damit war das Ende der Regierung Benjamin Netanjahus besiegelt. Im darauffolgenden Mai fanden vorgezogene Neuwahlen statt.

Deutlich ungern daran erinnert, glaubt Barak, dass die Situation heute nicht mit der damaligen vergleichbar sei. „Unsere Regierung ist am Anfang eines neuen Schwungs“, sagte er in einem Interview mit dem israelischen Hörfunk. „Die Wahlen sind heute viel weiter weg, als man in der Knesset den Eindruck gewinnen könnte.“ Auch Jossi Sarid (Meretz), ehemaliger Erziehungsminister, sieht das Ende noch nicht zwingend bevorstehen. Das Wichtigste sei nun, Zeit zu gewinnen, um einen Vertrag mit den Palästinensern und eventuell auch mit den Syrern zu erreichen. Beides sei möglich.

SUSANNE KNAUL