Rauchzeichen aus der Schweiz

■ In der Galerie für Gegenwartskunst werden Werke von Thomas Huber ausgestellt: kein Ort für NichtraucherInnen

Die Begegnung eines Löwen mit einem Lamm setzt in der Regel große Energien frei – sowohl bei dem Raubtier als auch bei seinem Opfer. Dass die beiden Tiere aber auch ohne Zerfleischung und Gebrüll Kräfte wirken lassen können, zeigt der Schweizer Künstler Thomas Huber. Dessen Werke werden zurzeit unter dem Titel „Rauch“ in der Galerie für Gegenwartskunst von Barbara Claassen-Schmal ausgestellt.

Der Besucher wird von eben diesen beiden Geschöpfen begrüßt: einem goldenen, etwa lebensgroßen Löwen sowie einem silbernen, viel zu kleinen Schaf. Beide schauen recht glücklich und vor allem friedlich drein. Die sich bei diesem Anblick gleich aufdrängenden Assoziationen einer Friedensutopie interessieren den Künstler weit weniger als die Frage nach ihrer Ursache: Allein die Bildung eines spannungsgeladenen Wechselverhältnisses erzeugt bei dem Betrachter eine „geistige“ Energie. Die Tiere stehen somit als Metapher für die Möglichkeiten der künstlerischen Arbeit – ein Thema, welches sämtlichen Werken Thomas Hubers zugrunde liegt.

Wo Möglichkeiten sind, gibt es oftmals auch Probleme. Huber geht technische Problemkomplexe wie Fragen nach Figürlichkeit und Raum offensiv an. Mit einer Rauchwolke wählt er eine Figur, die als solche kaum darstellbar ist. Schließlich ist nicht einmal sicher, ob der sich ständig wandelnde und nicht deutlich vom Hintergrund zu unterscheidende Rauch überhaupt als Figur bezeichnet werden kann. Hat der Betrachter durch die Plastizität einer hellen Rauchwolke auf dunklem Grund erst einmal den Glauben an seine figürliche Darstellung gewonnen, kommt er angesichts einer Abbildung verschwimmender zart-durchsichtiger Rauchschwaden wieder ins Zweifeln. Huber unterstützt diesen Kontrast durch Variationen im Material. Plastisch-figürlich wirkt Rauch am ehesten auf Öl. Aquarelle hingegen lassen ihn abstrakter erscheinen.

Nach Ansicht all der Rauchbilder wird der Besucher dann überrascht, wenn er die „Familienbildnisse“ des Thomas Huber sieht. Von verschwimmenden Formen ist hier nichts mehr zu spüren. Auf seinen Siebdrucken lässt der Künstler Gesichter wie Masken erscheinen. Und Gefühlsregungen werden durch simple Veränderungen des Mundes oder der Augen eindeutig fixiert. Dass sich ein männlicher Maler überhaupt mit Familie beschäftigt, ist außergewöhnlich. Allzu oft wurden in der Kunstgeschichte vor allem die Kinder als Nervensägen empfunden, welche den Künstler seiner Ruhe und In-spiration berauben. Wie der Rauch, so ist auch die Kindheit vergänglich, und somit wie alles zeitlich Begrenzte für Huber von besonderem Interesse.

Wesentliche neue Erkenntnisse über künstlerische Arbeit vermittelt der Schweizer zwar nicht. Doch zeichnen sich vor allem seine Rauchbilder durch eine eigenartige Ästhetik aus. So maskenhaft die Gesichter der Familie sind, so reizvoll sind ihre kontrastierenden Farbtöne. So erdrückend die keulenförmige dunkelgraue Rauchwolke vor schwarzem Grund wirkt, so leicht muten die sich schlängelnden Rauchschwaden an. Nur militante NichtraucherInnen werden ihre Schönheit in Zweifel ziehen.

Johannes Bruggaier

In der Bleicherstraße 55 bis zum 11. August zu sehen. Di-Fr 14 bis 18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Sa von 12 bis 14 Uhr. Infos unter Tel.: 70 21 39